Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
schwang er sich in den Sattel. »Sorg dafür, dass dieses Geplärr aufhört«, fuhr er sie an, ohne den Säugling anzusehen.
    »Ich weiß nicht, wie«, gestand sie verzweifelt. »Ich hab ihn erst seit letzter Nacht. Vermutlich müsste ich ihn stillen.«
    »Ich könnte ihm auch einfach die Kehle durchschneiden, das geht schneller«, gab er zurück. Er sagte es nicht einmal mit besonderem Nachdruck oder zornig. Aber Blanche spürte seinen Hass.
    »Thomas …«, begann sie, aber sie konnte nicht weitersprechen.Furcht und Schwäche schnürten ihr buchstäblich die Kehle zu. Ihr Blickfeld hatte sich merklich verkleinert, die Ränder waren verschwommen und gingen in Schwärze über. Schwäche kroch ihre Beine hinauf, sodass sie hilflos torkelte, als Devereux anritt. Aber sie wurde nicht ohnmächtig. Offenbar hatte ihr Gemahl doch nicht die Absicht – oder das notwendige Ausmaß an Grausamkeit – ihr Kind hier und jetzt zu töten, aber sie wusste, wenn sie es verlöre, würde er nicht anhalten, damit sie es wieder aufheben konnte. Er würde sie weiterzerren, notfalls schleifen, während Owen im tiefen Schnee der walisischen Hügel zurückblieb und erfror. Blanche wusste nicht, wie sie verhindern sollte, dass das geschah, denn sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. Also betete sie. Zu den Heiligen Dorothea und Monika, die die Schutzpatroninnen der Wöchnerinnen und Mütter waren, und als sie keine zusammenhängenden Sätze mehr denken konnte, betete sie das Ave Maria , wieder und wieder, konzentrierte all ihre Gedanken auf die schönen lateinischen Worte, machte ihren Rhythmus zum Takt ihrer Schritte, damit sie nur ja nicht aufhörte, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
     
    Die Erinnerung an diesen Marsch durch den Schnee kam ihr später traumartig vor. Unwirklich. Große Stücke fehlten ihr. Sie versuchte auch nicht, die Lücken zu schließen. Blanche gehörte nicht zu den Geplagten, die dazu neigten, in der Erinnerung wieder und wieder zu ihren schwärzesten Stunden zurückzukehren.
    Bei Dämmerung hielten sie an einem einsamen Gehöft, und Blanche kehrte allmählich aus ihrem eigentümlichen Dämmerzustand zurück. Es war still. Grauen überkam sie, und für einen Augenblick brachte sie es nicht fertig, auf ihren gefühllosen linken Arm hinabzuschauen. Als sie sich schließlich dazu zwang, stellte sie fest, dass sie Owen nicht verloren hatte. Reglos lag er in seine Decke gehüllt in ihrer Armbeuge. Nur die Nasenspitze und ein geschlossenes Äuglein waren zu sehen. Er war eingeschlafen oder tot.
    Thomas Devereux saß ab, streifte Blanche mit einem Blick, der schwer zu deuten war, und band mit der Linken ihre Hand los, während seine beiden Männer aus dem Haus kamen und den Bauern, sein Weib und seine beiden Kinder vor sich her trieben.
    »Ihr müsst die Nacht in der Scheune verbringen«, eröffnete Devereux den verängstigten Menschen. »Morgen früh ziehen wir weiter. Wenn ihr uns keinen Ärger macht, wird euch nichts geschehen.«
    Der Bauer nickte, legte einen Arm um seine Frau, die andere Hand auf die Schulter seines Jüngsten und führte sie über den Hof.
    Thomas Devereux packte Blanche am Ellbogen und stieß sie vor sich her ins Haus. Es war eine einfache Bauernkate, aber im Herd brannte ein ordentliches Feuer. Ein Kessel hing darüber, dem Hammelgeruch entstieg. Devereux schien jedoch kein Interesse an Wärme und Eintopf zu haben. Er brachte Blanche zu einer Tür, die in die Schlafkammer führte, spähte in den Raum und stieß sie dann hinein. »Mach dich hübsch für mich«, knurrte er. »Ich komm gleich zu dir, Täubchen.«
    Blanche sank auf das alte, aber liebevoll gezimmerte Holzbett hinab, legte Owen neben sich und wickelte ihn weit genug aus der Decke, um nach seinem Herzschlag zu tasten. Doch das war gar nicht nötig. Das kleine Gesicht verzog sich zu einer Grimasse des Unwillens, die ihr niedlich erschien und sie gleichzeitig auf den Gedanken brachte, dass der Junge doch mehr Ähnlichkeit mit seinem Vater hatte, als sie letzte Nacht hatte erkennen können. Dann öffnete ihr Sohn die Augen und fing an zu wimmern. Blanche hüllte sie beide in die Decken, die die bedauernswerte Bauernfamilie heute Nacht sicher schmerzlich vermissen würde, schnürte ihr Kleid auf, legte den Säugling an und schlief ein.
    Als sie die Augen aufschlug, stand Devereux über ihr, ein Talglicht in der Hand, und sah auf sie hinab. Wie lange schon?, fragte sie sich furchtsam. Halb lag, halb saß sie auf dem Bett, ein dünnes

Weitere Kostenlose Bücher