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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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hämmernde Stirn gegen das kühle Glas und dachte an jene Zeit zurück. Er musste feststellen, dass seine Erinnerungen verblasst waren, selbst an seinen großen Schmerz über seine unglückliche Liebe zu Warwicks Gemahlin. Er wusste, dass all diese Dinge geschehen und dass sein Kummer und die Schmach so unerträglich gewesen waren, dass er hatte sterben wollen. Aber er konnte sich nichtmehr wirklich entsinnen, wie es sich angefühlt hatte, so als seien es die Erinnerungen eines anderen.
    Langsam, immer noch mit wackligen Knien erhob er sich und fand seine Kleider und sogar seine Waffen in einer Truhe neben der Tür. Erleichtert zog er sich an. Wams und Schecke waren ausgebessert und gewaschen worden, aber man konnte noch deutlich sehen, wo sein Blut sie durchtränkt hatte. Er legte den Schwertgürtel um, verließ die Kammer, ging die Treppen hinunter und trat in den Burghof. Es war noch früh, die Mauer warf lange Schatten, aber eine Schar Knappen hatte sich bereits um einen Waffenmeister gruppiert und lauschte seinen Ausführungen. Julian nahm den Lehrer verstohlen in Augenschein, als er sie passierte. Es war nicht mehr derselbe Mann wie früher.
    Julian überquerte den Burghof, ließ die alte, steile Motte linkerhand liegen und wollte die Anlage durch die Pforte verlassen, die zur Turnierwiese führte, doch die Wachen versperrten ihm den Weg.
    »Tut mir leid, Sir«, sagte einer der Männer hochnäsig. »Anweisung von seiner Lordschaft.«
    Julian stand einen Moment ratlos und fröstelnd vor ihm. Es war kühl im Schatten und der Wind noch frisch. »Ich will nur bis zum Fluss«, sagte er. »Seid beruhigt, ich lauf Euch schon nicht davon.«
    »Seid Ihr taub, Mann? Ich sagte, wir haben Anweisung von …«
    Julian zog seine Klinge. »Muss ich dich wirklich erschlagen, um einen Schluck Wasser zu bekommen?«
    Die Wachen tauschten unbehagliche Blicke. Der Gefangene sah so aus, als sei er zu schwach, um einen Grashalm umzumähen, aber das Schwert war schneller aus der Scheide gefahren, als das Auge zu folgen vermochte, und außerdem war der Kerl ein Waringham.
    Der Hochnäsige trat beiseite. »Na schön. Aber wir haben Euch im Auge«, warnte er.
    Im Gehen steckte Julian seine Waffe wieder ein und legtedann die linke Hand auf das kostbar verzierte Heft. Die vertraute Form hatte etwas Beruhigendes. Er schlenderte außen an der Burgmauer entlang Richtung Avon und beachtete die Wachen nicht, die ihm in höflichem Abstand folgten. Als er an den Fluss gelangte, legte er sich am Ufer auf den Bauch, schöpfte mit beiden Händen und trank. Zu schnell und zu viel, sodass das Hämmern in den Schläfen sich verschlimmerte, aber er hörte trotzdem erst auf, als der quälende Durst endlich gestillt war. Dann setzte er sich ins hohe Gras und schaute zur Mühle hinüber. Gab es die dicke, lasterhafte Müllerin noch, fragte er sich, an die er wie jeder andere Knappe von Warwick seine Unschuld verloren hatte?
    Aber er stand nicht auf, um hinzugehen und es herauszufinden. Es interessierte ihn nicht wirklich. Gar nichts interessierte ihn sonderlich, stellte er fest. Er fühlte sich dumpf und matt.
     
    »Hab ich’s doch gewusst«, hörte er Warwicks Stimme in seinem Rücken. »Hierhin hast du dich früher schon verkrochen.«
    Julian wandte ohne Hast den Kopf. »Richard.«
    Der Earl of Warwick kam näher und schaute besorgt auf ihn hinab. »Du siehst furchtbar aus, Cousin. Und du fieberst.«
    »Ja. Ich hatte einen Pfeil in der Lunge, also was erwartest du? Es ist ein Wunder, dass ich noch lebe.«
    »Der Leibarzt des Königs hat ihn herausgeholt.«
    »Ich nehme an, du meinst Edward of Marchs Leibarzt«, gab Julian zurück. »Denn der Leibarzt des Königs ist ein halbblinder, zahnloser Benediktiner, der noch niemals eine Pfeilwunde behandelt hat, dafür aber lehrreiche Abhandlungen über die vier Körpersäfte verfasst.«
    Warwick zwinkerte verschmitzt. »Ich kenne ihn. Henry of Lancaster muss ein zäherer Bursche sein, als viele glauben, dass er die Behandlung des alten Quacksalbers so lange überlebt hat.«
    Julian schnaubte leise und wandte den Blick ab. Warwicks Verschwörerlächeln bereitete ihm Übelkeit. Damit wollte er wirklich nichts zu schaffen haben.
    Es war eine Weile still, und er lauschte dem Murmeln des eiligen Flusses. Es war ein schöner, melodischer Klang. Schließlich gab Julian sich einen Ruck. Den Blick immer noch auf das grüne Wasser des Avon und die liebliche Flussinsel in seiner Mitte gerichtet, fragte er: »Wie viele

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