Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
kapitulieren. Wir haben einfach keine andere Wahl mehr.«
»Kapitulieren?«, wiederholte Jasper und lachte leise. »Darf ich dich daran erinnern, was unserem Vater passiert ist, nachdem er Black Will Herbert in die Hände fiel? Dir mag es ja gleich sein, zumal du den Kopf schon verloren hast, aber ganz so weit bin ich noch nicht.«
»Dann bin ich gespannt, was Ihr stattdessen tun wollt. Falls Ihr glauben solltet …«
»Schluss damit, Rhys«, fiel Blanche ihm ins Wort. Sie wusste, dass Jasper am Ende seiner Weisheit war, und sie wollte vermeiden, dass Rhys ihn zwang, das einzugestehen. In den fünf Jahren, die sie an Jasper Tudors Seite verbracht hatte, hatte sie nie erlebt, dass er die Beherrschung verlor – eine Wohltat nach einem Jahr mit dem ewigen Wüterich Devereux –, doch sie hatte den Verdacht, dass Jasper nicht mehr lange an seiner äußerlichen Ruhe festhalten konnte, die ihm doch so kostbar war. »Sei so gut, nimm Richmond und bring ihn zu Generys. Sag gute Nacht zu deinem Onkel und geh mit Rhys, Engel.«
Der kleine Junge stand von seinem Platz nahe dem Kamin auf und trat zu Jasper. Seine Bewegungen wirkten matt, und er war mager. »Gute Nacht, Mylord.«
Jasper hob ihn zu sich hoch und küsste ihm die Stirn. »Denkst du, du wirst ein bisschen schlafen können, wenn Generys für dich singt?«
»Weiß nicht.«
»Versuch es, ja? Versprich es mir. Schlaf bringt einem hungrigen Krieger neue Kräfte.«
Richmond lächelte. Er hatte ein wunderschönes, strahlendes Lächeln, das jeden betörte und selbst jetzt nicht versagte.
Jasper drückte ihn kurz an sich und kniff für einen Moment die Augen zu. »Gute Nacht, Henry Tudor. Mögen alle Engel über dich wachen.«
Er reichte den Jungen zu Rhys hinüber, der ihn auf seinen linken Arm setzte. Zutraulich bettete Richmond den Kopf an seine Schulter und steckte den Daumen in den Mund. Blanche hatte seit dem Winter versucht, ihm das abzugewöhnen, aber sie brachte es heute Abend nicht übers Herz, ihn zu schelten.
Als die Tür sich hinter Onkel und Neffen geschlossen hatte, stand sie von ihrem Sessel auf und beugte sich kurz über die Wiege. Owen schlief selig. Blanche ging weiter zum Fenster.
»Vorsicht«, warnte Jasper. Black Will Herberts Truppen hatten sich für heute zur Ruhe gebettet, aber das würde eineNachtwache nicht davon abhalten, über die Mauer hinweg einen Pfeil auf ein beleuchtetes Fenster abzuschießen. Auf gut Glück.
Blanche nickte, durchschritt die kleine Halle und öffnete den rechten Flügel am gegenüberliegenden Fenster, das aufs Meer hinauszeigte. Die See war ruhig, denn das frühsommerliche Wetter hielt an. Doch wie immer an dieser Küste war die Brandung stark. Die Wellen brachen sich gischtschäumend, mit majestätischer Langsamkeit an den Felsen.
Jasper trat zu ihr, legte einen Arm um ihre Schultern und schaute genau wie Blanche aufs Meer hinab. »Alles ist mir unter den Händen zerronnen«, murmelte er. »Ganz Wales hatte ich für meinen Bruder eingenommen, jedes yorkistische Schlupfloch dichtgemacht. Jetzt ist mein Bruder im Exil, Richard of Yorks Welpe hat sich des Throns bemächtigt, und seine Truppen haben Wales überrannt.«
»Ja. Fortuna treibt grausame Scherze mit uns«, stimmte Blanche zu.
Jasper wiegte den Kopf hin und her. »Ich schätze, es wäre ein bisschen zu einfach, ihr die Schuld zu geben.«
»Ich habe geahnt, dass du das sagen würdest. Du meinst, die ganze Schuld liegt bei dir. Aber das ist nicht wahr. Nenn mir nur einen einzigen Fehler, den du gemacht hast.«
»Ich habe bei Mortimer’s Cross eine Schlacht gegen Edward of March verloren«, antwortete er prompt. »Das war der Anfang vom Ende.«
»Aber du hattest einfach nicht genug Männer. Was hättest du tun sollen?«
»Hätte ich auf Marguerite gehört, hätte ich mehr Männer in Irland angeheuert. Sie hatte Recht, ich hatte Unrecht, so einfach ist das. Und ich habe mich gesträubt, auf sie zu hören, weil ich sie nicht ausstehen kann. Das ist ein verdammt schlechter Grund, Blanche. Ich kann sie nicht ausstehen, weil sie grausam und herrschsüchtig ist und viele andere Dinge, die eine Frau nicht sein dürfte. Sie hat meinen Bruder ungezählte Male betrogen. Sie hat ihn beherrscht und zum Gespött gemacht, dachte ich. Aber Tatsache ist, dass sie alles getan hat, um seineKrone zu retten. Für Edouard. Doch ich habe mich von meiner persönlichen Abneigung leiten lassen und bin verdientermaßen in die Grube getappt, die ich ihr gegraben
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