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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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riskierte einen Blick um die Ecke. Und tatsächlich, da kam sie: Ohne große Eile trat Anne aus dem Guy’s Tower, hüpfte an der Mauer entlang zur Kapelle und öffnete die Tür.
    Ihr Schrei war von höchst befriedigender Stimmgewalt, ein unartikulierter Laut des Schreckens, der Julians Gewissensbisse verschlimmerte. Er kniff die Augen zusammen und verwünschte sich, weil ihm nichts Besseres eingefallen war.
    »Es brennt!«, schrie Anne und kam auf den Hof hinausgerannt. »Ein Feuer in der Kapelle! Hier brennt es!«
    Dicker Rauch quoll hinter ihr aus der Tür. Julian hatte das Stroh nass gemacht, damit es ordentlich qualmte, aber das dort war mehr, als er gedacht hätte. Er hatte absichtlich die Kapelle für sein kleines Ablenkungsmanöver gewählt, weil dort nicht viel war, das Feuer fangen konnte, und die Gefahr, dass Warwick Castle bis auf die Grundmauern niederbrannte, somit einigermaßen begrenzt blieb. Er konnte nur hoffen, dass seine Rechnung aufging.
    Augenblicklich öffneten sich Türen; von überall strömten Menschen herbei. Die umsichtige Caroline brachte gleich einen Eimer mit. Julian sah sie nur aus dem Augenwinkel, sein Blick war aufs Torhaus gerichtet. Und es geschah tatsächlich, was er gehofft hatte: Die Wachen am Tor und der Rüstkammer verließen ihre Posten, um beim Löschen zu helfen.
    »Jungs, ihr werdet ganz schön was zu hören kriegen«, murmelte Julian nicht ohne Schadenfreude und schwang sich in den Sattel. Als die Wachen der Kapelle näher als dem Tor waren, galoppierte er aus dem Stand an und hielt auf das Tor zu.
    »He da, was …?«, rief eine verwirrte junge Stimme.
    »Morris, Morris, der Kerl will fliehen!«, rief eine zweite.
    »Halt! Waringham, anhalten, Ihr Schuft!«, brüllte der Wachoffizier.
    Julian schaute nicht nach links oder rechts. Er stand in den Steigbügeln, hatte sich nach vorn gelehnt, betete, dass er nicht ausgerechnet Anne über den Haufen reiten werde und hielt den Blick aufs Tor gerichtet. Menschen brachten sich vor ihm in Sicherheit, wichen zu beiden Seiten wie aufspritzendes Wasser vor dem Bug eines schnellen Bootes. Nur ein Wagemutiger versuchte, ihn aufzuhalten, sprang ihn von der Seite an und klammerte sich an den Steigbügel, aber Julian schüttelte ihn mit einem Tritt ab. Dann tauchte er in den langgezogenen Tunnel des Torhauses. Das Trommeln der galoppierenden Hufe wurde von den steinernen Wänden dröhnend zurückgeworfen, und schon war er hindurch, kam zurück in die Sonne, ritt wie der Teufel hügelabwärts und schaute sich keinmal um.

Pembroke, Juni 1461
    Richmond
     weinte. Eigentümlich still für einen so kleinen Jungen; er heulte nicht und schluchzte nicht, nur Tränen rannen über seine blassen Wangen, und als er merkte, dass sein Onkel sie sah, wandte er den Kopf ab. Blanche beobachtete ihnbeklommen. Hatte die Welt je zuvor von einem vierjährigen Knaben gehört, der sich seiner Tränen schämte? »Was ist denn, mein Engel?«, fragte sie und strich ihm die dunklen Haare aus der Stirn. Fieber hatte er jedenfalls keins.
    Richmond antwortete nicht.
    »Was soll schon sein«, sagte Rhys an seiner Stelle. »Er hat Hunger. Wie wir alle. Und wenn er nicht bald etwas Vernünftiges zu essen bekommt, wird er krank. Aber die Hauptsache ist ja, wir bieten Black Will Herbert die Stirn. Selbst wenn es überhaupt keinen Sinn mehr hat. Das ist egal. Prinzipien sind Prinzipien. Nicht wahr, Mylord?«
    Jasper ließ die bitteren Worte seines Bruders in scheinbarer Gelassenheit von sich abperlen, wie üblich. »So voller Sorge um deinen Neffen?«, fragte er lediglich. »Oder ist es dein eigener leerer Bauch, der dir in Wahrheit zu schaffen macht? Hunger ist ein schlechter Ratgeber, Rhys.«
    Der Jüngere sprang auf die Füße. Blanche wunderte sich, wie viel Energie er noch hatte. »Wenn Ihr mir Feigheit unterstellen wollt, dann sagt es offen!«
    »Wenn ich das wollte, hätte ich es getan, sei beruhigt.«
    Rhys setzte sich ihm gegenüber auf die Fensterbank und hob beschwörend die Hände. »Wir sind am Ende. Wir haben keinen Pfeil mehr, den wir auf die Belagerer abschießen, kein Pech mehr, mit dem wir sie begießen könnten, und wenn wir morgen etwas essen wollen, müssen wir auf Rattenjagd gehen.«
    Jasper fuhr sich mit der Hand über Kinn und Wange und richtete sich auf. »Ja, vielen Dank, Rhys, all das ist mir bekannt.«
    Aber Rhys war noch nicht fertig. »Die Männer sind zu schwach für einen Ausfall, abgesehen davon, dass wir zu wenige sind. Wir müssen

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