Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
der seinen Anteil am Gestüt und das Marktrecht bekommen würde. Aber noch war der Zeitpunkt nicht gekommen, darüber zu sprechen. Stattdessen beantwortete er die neugierigen Fragen seiner Freunde über seine Verwundung, Genesung, Gefangenschaft und Flucht.
Schließlich klopfte Lucas nachdenklich und langsam mit dem leeren Becher auf den Tisch, und es war eine Weile still. Als er aufschaute, war seine Miene ernst geworden. »In einer Woche lässt er sich krönen. Machen wir uns nichts vor: Niemand wird das mehr verhindern. Marguerite wird sich an ihren Cousin, den König von Frankreich, wenden und ihn um Hilfebitten. Aber wie es damit steht, wissen wir nicht. Somerset ist irgendwo in den Midlands, heißt es. Wenn Marguerite zu irgendwem Kontakt hält, dann zu ihm. Aber niemand hat ihn in London oder Westminster gesehen seit Towton.«
»Und wie steht es in Wales?«, fragte Julian.
»Schlecht«, antwortete Lucas ernst. »Tristan kam kurz vor Ostern von dort zurück. Deine Schwester, Jasper Tudor und der kleine Richmond waren wohlauf, berichtete er. Jasper hatte die Absicht, in Pembrokeshire eine neue Truppe aufzustellen, aber letzte Woche haben wir erfahren, dass Black Will Herbert Pembroke belagert und eingenommen hat. Mehr wissen wir nicht.«
»Gott schütze dich, Blanche«, murmelte Julian.
De facto hat Edward of March jetzt die Macht in England und in Wales , schrieb Frederic. Und wir sind der Meinung, dass du fliehen solltest.
Julian runzelte die Stirn, als er es las. »Das könnt ihr euch aus dem Kopf schlagen.«
Aber was willst du tun?
Julian dachte darüber nach. Dann traf er seine Entscheidung. »Ich reite nach Westminster.«
»Was?«
Bist du noch bei Trost?
»Ich glaub schon. Das ist besser, als hier zu warten, bis Edward of March seine Finstermänner nach Waringham schickt, um mich zu verhaften. Außerdem wollte ich immer schon mal eine Krönung sehen.«
Westminster, Juni 1461
Die Krönung, die aus
dem neunzehnjährigen Earl of March König Edward IV. von England machte, war wohl die prächtigste, die London und Westminster je gesehen hatten, denn sie sollte jedem, der Zeuge wurde, beweisen, dass dieserMann und kein anderer Englands König von Gottes Gnaden war. Als Edward am Freitag, dem sechsundzwanzigsten Juni, in die Stadt einzog, begrüßten ihn der Lord Mayor und die Aldermen von London, alle in scharlachroten Gewändern, und eine Abordnung von vierhundert Bürgern der Stadt, grün gekleidet und allesamt hoch zu Ross. Die große Handelsmetropole, die noch vor vier Monaten zerrissen gewesen war und teilweise blutig über die Frage gestritten hatte, ob die Krone Lancaster oder York gehören sollte, hatte zu ihrem Pragmatismus zurückgefunden, der ebenso berühmt wie berüchtigt war: Der Lancaster-König war mitsamt der herrschsüchtigen französischen Furie, die hier ohnehin niemand ausstehen konnte, geflohen. Die Yorkisten hatten den Krieg gewonnen. Edward of March hatte ein offenes Ohr für die Belange der Stadt und die Interessen ihrer führenden Kaufherren auf dem Kontinent, und außerdem sah er viel königlicher aus als der umnachtete Jämmerling Henry. Also war ihnen die Wahl letztlich nicht schwergefallen.
In einem festlichen Zug geleiteten sie Edward zum Tower, wo die Krönungsfeierlichkeiten damit begannen, dass er achtundzwanzig junge Männer in den Bath-Orden aufnahm – darunter seine beiden jungen Brüder George of Clarence und Richard of Gloucester.
Am Sonntag schließlich fand die eigentliche Krönungszeremonie in der Abteikirche zu Westminster statt, wo die beiden englischen Erzbischöfe gemeinsam Edward die wundervolle Krone seines angelsächsischen Vorgängers und Namensvetters aufs Haupt setzten.
Julian nahm als Zaungast an den Festlichkeiten teil. Er hatte sich unters Volk gemischt, angetan mit einem schlichten dunklen Mantel und einer Kapuze, die er tief ins Gesicht gezogen trug, sodass er in Westminster zweimal von der Leibgarde des neuen Königs angehalten und kontrolliert wurde, weil er vermummt und finster aussah – wie ein potenzieller Königsmörder. Doch niemand erkannte ihn, und er blieb unbehelligt. So hatte er drei Tage lang Gelegenheit, zu beobachten und nachzudenken.Was er sah, beunruhigte ihn. Was er dachte, noch mehr. Und als er am Montagabend bei Einbruch der Dämmerung zu seinem Haus in Farringdon kam, erwartete ihn ein halbes Dutzend furchteinflößender Hünen, die bis an die Zähne bewaffnet waren und alle eine eingestickte weiße Rose am Mantel
Weitere Kostenlose Bücher