Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
konnte, gab Edward einem seiner Männer ein Zeichen, der dem König ein langes, in dunkelroten Samt geschlagenes Paket brachte. Edward nickte ihm zu und reichtedas Paket an Julian weiter. »Nur zu, öffnet es, Waringham.«
Julian musste aufstehen, um den langen Gegenstand zu handhaben. Mit einem Mal spürte er sein Herz pochen. Er ahnte schon, was er hier in Händen hielt. Mit gesenktem Kopf wickelte er den Samt ab und enthüllte das alte Waringham-Schwert. Es war von jeglichem Schlamm und Blut befreit, die kostbar verzierte Scheide so fachmännisch poliert worden, dass sie heute vermutlich neuer aussah als vor hundert Jahren. Julian nahm sie in die Linke, umschloss das vertraute Heft mit der Rechten und zog die Klinge zur Hälfte heraus. Das vertraute, metallische Flüstern war zu hören. Er liebte dieses Geräusch.
Er hatte nicht gewusst, was diese Waffe ihm bedeutete, bis er sie verloren hatte. Sie wieder in Händen zu halten erfüllte ihn mit einem Glücksgefühl, das ihm lächerlich erschienen wäre, hätte er nicht gewusst, dass diese Empfindung mehr mit der Geschichte seiner Familie als mit diesem perfekten Kriegsinstrument selbst zu tun hatte.
Doch nichts regte sich in seinem Gesicht, als er sich an den jungen König wandte. Julian hatte immer eine unfreiwillige Sympathie für Edward gehegt, aber in diesem Moment verabscheute er ihn, weil er ihm mit großer Geste schenkte, was ihm doch längst gehörte.
»Ich bin Euch sehr dankbar für die Rückgabe meines Eigentums, Mylord«, sagte er kühl.
»Eigentum?« Edward legte lächelnd den Kopf schräg. »Nun, ich glaube, dieser Festschmaus ist zu genussreich, um ihn mit einem langweiligen Disput über Eigentumsrecht zu verderben. Jedenfalls bin ich froh, dass nun wieder in Eurem Besitz ist, was schon so lange zur Tradition Eurer Familie gehörte.«
Julian nickte. »Ein kleines Unrecht weniger in England.«
»Herrgott, nimm dich zusammen«, knurrte Warwick an seiner anderen Seite.
Edward sah für einen Moment verwirrt und ein wenig gekränkt aus, wie ein zu Unrecht gescholtener Knabe. Offenbar fand er seine Geste wirklich großmütig und konnte nicht verstehen,dass sie so unzulänglich verhohlene Bitterkeit hervorgerufen hatte. Doch er erwiderte nur: »Nicht das erste und nicht das letzte Unrecht, das ich wiedergutzumachen gedenke.«
Darauf bin ich gespannt, lag Julian auf der Zunge, aber er schluckte es hinunter und nahm wieder Platz. Er wollte weder eine Szene provozieren noch sich selbst und die Seinen nur aus verletztem Stolz in Gefahr bringen.
Nimmt dieses Essen denn gar kein Ende?, fragte er sich und führte den Becher an die Lippen. Mit einem Mal fühlte er sich völlig ausgelaugt. Noch einmal strich er verstohlen mit der Hand über die Scheide seines Schwertes, dann beschied er Roland mit einem diskreten Wink, zu ihm zu treten. »Hier.« Er gab ihm die Waffe. »Bring es in meine Kammer und leg es auf die Truhe.«
Der Knappe mied seinen Blick. »Sofort, Mylord.«
»Wäret Ihr gewillt, mir Euer Gestüt zu zeigen, Waringham?«, fragte der König unvermittelt, als habe er nach einem unverfänglichen Thema gesucht und sei nun fündig geworden.
Pferde waren in Waringham niemals ein Thema für eitle Plauderei, aber Julian nickte bereitwillig. »Natürlich.«
»Ich hörte, Ihr habt die Zucht von Schlachtrössern aufgegeben?«
»Das ist Unsinn«, gab Julian kopfschüttelnd zurück.
»Vermutlich habe ich viel Unsinn über Euch gehört«, bemerkte der König mit einem Lächeln.
Julian ging nicht darauf ein, sondern erklärte ihm, in welcher Weise und aus welchen Gründen sie die Zucht verändert und erweitert hatten.
Edward lauschte ihm mit solchem Interesse, dass er Wein und Speisen darüber vergaß. Als Julian geendet hatte, schwieg der König eine Weile und bohrte mit der Spitze seines Speisemessers gedankenverloren Löcher in die Mandelpastete auf seinem Teller. Schließlich sah er seinen Gastgeber wieder an. »Ich nehme an, ihr habt gehört, dass König Charles von Frankreich gestorben und sein Sohn Louis ihm auf den Thron gefolgt ist?«
Julian nickte.
»Wisst Ihr, Waringham, manchmal frage ich mich, ob wir den Krieg gegen Frankreich nicht zu früh verloren gegeben haben.«
»Zu früh?«, wiederholte Julian ungläubig. »Nach über hundert Jahren?«
Edward winkte ab. »Was bedeutet das schon? Unser Sieg war oft genug zum Greifen nah. Henry hat jede Chance verstreichen lassen, weil er kein Interesse am Krieg hatte. Und wahrscheinlich weil
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