Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
sagen würde, als ein spitzer Ellbogen in seiner Seite landete. Die zum Ellbogen gehörige Dame wandte sich um. »Ich bitte vielmals um Verzeihung …« Als sie ihn erkannte, riss sie die Augen auf. »Lord Waringham!«
»Lady Elizabeth!« Julian lachte, eine Mischung aus Freude, Verlegenheit und Erleichterung darüber, unter all diesen Feinden eine Freundin zu finden. »Was in aller Welt habt Ihr hier verloren?«, fragte er mit gedämpfter Stimme.
Sie war Lady Elizabeth Woodville, eine von Marguerites vertrauten Hofdamen. Julian hatte sie zuletzt im Jahr zuvor in Schottland gesehen, wohin sie ihre Königin begleitet hatte. Sie war oft Gegenstand des Hofklatsches und der begehrlichen Blicke aller Männer in Marguerites Umfeld gewesen, denn Elizabeth Woodville war eine der schönsten Frauen, die Julian je gesehen hatte. Mit ihrem goldenen Haar, den klaren blauen Augen, der Lilienhaut und der stillen Würde, die sie ausstrahlte, kam sie einem vor, als sei sie einem dieser französischen Gedichte entstiegen, die aus Frauen unnahbare Göttinnen machten. Damit nicht genug, umwitterte ein seltsames Geheimnis Elizabeths Herkunft. Ihr Vater war irgendein unbedeutender kleiner Ritter, ihre Mutter Jacquetta hingegen nicht nur die Witwe des Duke of Bedford, sondern auch eine Tochter des Herzogs von Luxemburg, womit ihre Abstammung geradewegs auf Karl den Großen zurückging. Julian und seine Freunde hatten sich manch eintönigen Winterabend bei Hofe mit der Frage vertrieben, was die edle Jacquetta besessen haben mochte, so weit unter ihrem Stand zu heiraten. Doch ganz gleich, welches Geheimnis sich dahinter verbarg – Lady Elizabeth, ihr Gemahl, ihr Vater und Bruder waren standhafte Lancastrianer.
Julian zog sie in eine der Fensternischen. »Ich fürchte, hier zieht es ziemlich«, warnte er.
»Das macht nichts.« Sie setzte sich in sittsamem Abstandneben ihn auf eines der samtbezogenen Polster. »Es tut so gut, Euch zu sehen, Mylord. Habt Ihr Nachricht erhalten?« Von der Königin, meinte sie natürlich. Und darum flüsterte sie.
Julian wandte sich ihr zu, schlug die Beine übereinander und antwortete ebenso gedämpft. »Sie ist nach Frankreich gesegelt. Der neue französische König, Louis, ist ihr Cousin, und er hat mit den Yorkisten nicht viel im Sinn. Es heißt, er habe ihr Truppen versprochen. Aber ich weiß nicht, wie viele. Vorerst ist sie ohne französische Truppen nach Northumberland zurückgekehrt. König Henry und Prinz Edouard sind in Schottland. Und weil ich weiß, dass Ihr Euch fragt, was ich noch hier tue: Black Will Herbert hält den kleinen Earl of Richmond als Geisel. Er ist der Sohn meiner Cousine und meines einstigen Dienstherrn und Vormunds. Der Gedanke, dass dem Jungen etwas zustoßen könnte, verfolgt mich bis in den Schlaf. Aber hier untätig zu sitzen und Thronräuber zu bewirten ist ebenso unerträglich. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
Elizabeth nickte. Ihr Blick, der so unverwandt auf ihn gerichtet war, war voller Mitgefühl. »Das kann niemand besser verstehen als ich, Mylord. Wisst Ihr, dass mein Mann bei St. Albans gefallen ist?«
Julian hatte keine Ahnung gehabt. Weil er gleich nach der Schlacht zur Beerdigung seiner Mutter geeilt war, hatte er die Verlustmeldungen nicht gehört. Und Elizabeth trug keine Trauer. Er schüttelte langsam den Kopf. »Es tut mir sehr leid, Madam.«
»Danke. Nun stehe ich allein da mit zwei Söhnen, um deren Zukunft ich mich zu sorgen habe. Mein Vater und Bruder sind Lancastrianer und kämpfen selbst ums Überleben. Ich habe …« Sie unterbrach sich und schien einen Moment abzuwägen, ob sie wirklich weitersprechen wollte. Dann schaute sie Julian in die Augen, und was immer sie dort sah, bewog sie, es zu riskieren. Verstohlen wies sie mit dem Finger auf Edward. »Ich habe ihm im Wald aufgelauert, als er auf der Jagd war. Ich bin vor ihm auf die Knie gegangen, um für meine Söhne zu bitten. Er war sehr freundlich zu mir. Sehr höflich. Er hat mir angeboten,meinen Söhnen ihr Erbe zurückzugeben, aber seine Bedingung war … inakzeptabel.«
»Bastard«, knurrte Julian. Er hatte keine Mühe, zu verstehen, was sie ihm andeutete. In dem halben Jahr seiner Regentschaft hatte König Edward sich nicht nur den Ruf eines weisen Richters und klugen Staatsmannes erworben, sondern er galt auch als der größte Weiberheld auf dem englischen Thron seit hundert Jahren. »Braucht Ihr Hilfe? Asyl? Oder … irgendetwas anderes?« Er meinte Geld, doch er fürchtete, sie zu
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