Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
viel Verantwortung in Waringham auf ihn wartet.«
Wie ähnlich es ihr sieht, an so etwas zu denken, fuhr es Julian durch den Kopf. Sie hatte nicht einmal Unrecht. Ihm wurde ganz entschieden mulmig zumute, wenn er an Waringham dachte, und er hatte tatsächlich gehofft, dass seine Schwester, die in den letzten Jahren so viel mehr Zeit zu Hause verbracht hatte als er und die Menschen und Verhältnisse dort darum viel besser kannte, ihm zur Seite stehen würde. Aber Megan, wusste er, brauchte Blanche dringender. »Nein, nein, behalt sie nur hier«, sagte er leichthin. »Das erspart mir, darüber wachen zu müssen, dass Blanche sich benimmt, wie man es von der Schwester des Earl of Waringham erwartet. Allein damit wäre ich schon vollauf beschäftigt, und es wäre ja doch ein hoffnungsloses Unterfangen.«
Alle lachten, aber Blanche zog ihn unsanft an den Haaren. »Flegel. Sieh du lieber zu, dass du dich benimmst, wie man es von Lord Waringham erwartet.«
»Das raubt mir nicht den Schlaf«, gab er zurück. Da mir diesbezüglich niemand etwas zutraut, kann ich auch niemanden enttäuschen, fügte er in Gedanken hinzu.
Obwohl er es nicht laut ausgesprochen hatte, sah Blanche doch den bitteren Zug, der sich für einen kurzen Moment auf seinem Gesicht zeigte. Sie hängte sich bei ihm ein und strich ihm unauffällig über den Arm.
So schlenderten sie paarweise durch den frühsommerlichen Garten, redeten über dieses und jenes und allerhand Belanglosigkeiten, wie gute Freunde es eben manchmal tun, und schließlich begegneten sie der Königin in Begleitung ihres Sohnes und seiner Amme.
Edmund und Julian verneigten sich ehrerbietig, Blanche und Megan sanken in eine tiefe Reverence .
Lächelnd bedeutete die Königin ihnen, sich zu erheben. »Waringham. Tudor. Mesdames. Welch angenehme Überraschung.« Sie nahm der Amme ihren eineinhalbjährigen Sohn ab, der mit noch nicht ganz sicheren Schritten an ihrer Seite durchs Gras tapste, hob ihn hoch und hielt ihn den jungen Leuten voller Stolz zur Begutachtung hin. »Seht nur. Ist er nicht ein wunderschöner kleiner Prinz?«
Sie pflichteten ihr bei, vor allem Megan und Blanche mit echtem Interesse.
»Welche Farbe haben seine Augen?«, fragte Letztere und beugte sich ein wenig vor, um es zu ergründen.
»Genau die gleiche wie die Euren, Lady Blanche.«
Es entstand eine winzige Pause, in welcher niemand sich zu rühren schien. Dann trat Julian einen Schritt näher und legte seiner Schwester den Arm um die Schultern. Dabei war in Wahrheit er derjenige, der empfindlich reagierte, wenn jemand auf die Lancaster-Abstammung und die uneheliche Geburt ihrer Mutter anspielte. Blanche war das alles von Herzen gleichgültig.
»Dunkle Augen sind keine Besonderheit in England, Madame«, klärte er die Königin ein wenig steif auf.
»Besonders unter dem Adel, ist mir aufgefallen«, stimmte sie zu. »Es muss daran liegen, dass so viele von Euch normannische Vorfahren haben.« Dann zeigte sie ihr schönes Lächeln, das Julian schon bei ihrer ersten Begegnung so bezaubert hatte. »Es besteht kein Grund, so finster dreinzuschauen, Sir Julian. Ich weiß, dass mein Sohn von keinem Waringham je etwas zu befürchten hat. Und es lag mir fern, Euch oder Eure Schwester zu kränken.«
Er entspannte sich sichtlich, ließ Blanche los und verneigte sich vor der Königin. »Vergebt mir, Madame.«
»Wann werdet Ihr den Hof verlassen?«
»Morgen früh, Majesté, wenn Ihr gestattet.«
»Er muss seine Ländereien in Besitz nehmen, Marguerite«, fügte Edmund hinzu.
Julian hielt sich mit Mühe davon ab, seinem Freund und Vormund einen verwunderten Blick zuzuwerfen. Er hatte nicht geahnt, dass Edmund so vertraut mit der Königin war. Schwägerin oder nicht, es war ungewöhnlich, dass er sie beim Vornamen nannte.
Sie nickte seufzend. »Na schön, dann geht mit Gott, Waringham. Ihr werdet uns fehlen. In der Düsternis, die jetzt über uns kommen wird, können wir hier jeden Freund gebrauchen.«
»Düsternis?«, wiederholte Julian verständnislos.
»Habt Ihr nicht gehört, dass der Duke of York Lord Protector wird, Sir?« Unbewusst drückte sie den Prinzen ein wenig fester an ihre Brust, sah für einen Lidschlag auf ihn hinab und küsste ihm behutsam den dunkelblonden Flaum.
Julian tauschte einen Blick mit Edmund. »Ich hörte ein Gerücht, Madame«, räumte er dann ein.
Sie nickte. »Wenn das geschieht, wird seine Macht in England vollkommen sein. Jetzt, da der Duke of Somerset tot ist, gibt es niemanden
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