Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Vormund-Masche nicht in dein Bett.«
Ihr höchst unpassendes Gelächter hallte zum Deckengewölbe der altehrwürdigen Kirche empor und wurde zurückgeworfen, bis es sich anhörte, als lache ein Heer von Geisterstimmen.
Doch als die ersten Beter sich zur Sonntagsmesse sammelten – unter ihnen der König –, fanden sie Edmund Tudor und Julian of Waringham vor dem Altar auf den Knien und gänzlich in ihre Gebete vertieft.
König Henry lächelte wohlwollend. So und nicht anders stellte er sich den idealen Ritter vor.
Nach dem Hochamt fand der Hof sich in der großen Halle ein, wo der König Julian of Waringham und zwei weitere junge Männer zu Rittern schlug. Seite an Seite knieten sie vor ihm nieder, und er berührte sie nacheinander mit dem Schwert an der linken Schulter. Er tat es mit feierlichem Ernst, denn er war ein pflichterfüllter König, aber ohne das komplizenhafte, stolze Lächeln, an das ein jeder sich erinnerte, der den Ritterschlag von Henrys Vater empfangen hatte. Jener König hatte mit diesem Ritual aus einem Knaben einen Waffenbruder gemacht. Für Henry war es nur eine Pflichtübung wie zahllose andere.
Julian fühlte sich nicht verwandelt, sondern auf unbestimmte Weise betrogen, als der König ihn aufhob und in die Arme schloss.
»Sei ihm nicht gram«, sagte seine Schwester seufzend, als die Zwillinge nach dem Mittagsmahl mit Edmund und Megan durch den kleinen Obstgarten im oberen Burghof schlenderten.
»Nein, das bin ich nicht«, erwiderte Julian. Und es war nicht einmal gelogen.
»Er ist eben, wie er ist. Und es wäre eines Königs unwürdig, sich zu verstellen.«
»Blanche, ich sagte, ich bin ihm nicht gram«, wiederholte Julian ungeduldig. »In Ordnung? Ich bin nur …« Er winkte ab.
»Unausgeschlafen?«, schlug Edmund vor. »Und darum unleidlich. Eine Nacht auf den Knien ist schließlich eine ungewohnte Bußübung für dich.«
Julian verdrehte die Augen, sagte aber nichts.
»Es könnte euch beiden nicht schaden, mehr Zeit in der Kirche zu verbringen«, befand Megan. »Was das angeht, dürftet ihr euch den König ruhig zum Vorbild nehmen.«
»Und du könntest deinem Vormund und zukünftigen Gemahl ein wenig mehr Respekt zollen, Engelchen«, konterte Edmund, legte seiner Braut den Arm um die Taille und küsste sie ungeniert auf die Nasenspitze.
»Mylord of Richmond!«, schalt sie. »Wenn uns jemand sieht.« Aber sie lächelte.
»Na und? Dank der Einsicht meines königlichen Bruders brauchen wir uns jetzt endlich nicht mehr zu verstecken«, entgegnete ihr Verlobter.
Endlich nicht mehr?, dachte Julian erstaunt. Wie lange geht das schon? Und was genau hat sich da vor meiner Nase abgespielt, wovon ich nicht das Geringste geahnt habe? »Werdet ihr bald heiraten?«, erkundigte er sich.
Megan verstand in ihrer Arglosigkeit nicht, was er mit dieser Frage eigentlich in Erfahrung bringen wollte, aber Edmund warf ihm einen entrüsteten Blick zu. »Im August«, antwortete er mit Nachdruck.
Aha. Also nicht, schloss Julian. Er wusste nicht so recht, warum ihn das erleichterte. Megan mochte noch furchtbar jung sein, aber sie war heiratsfähig. Mit Edmund Tudor bekam sie den besten Mann, den eine Frau sich erhoffen konnte – Julian wusste seine kleine Cousine in guten Händen. Aber sie war so zierlich, die Haut so durchschimmernd, die Züge so zart undschmal. Megan wirkte, als sei sie nicht wie andere Menschen aus Lehm gemacht, sondern aus etwas Feinerem, weit weniger Handfestem.
»Und was wird bis dahin?«, fragte er. »Gehst du zurück nach Bletsoe?«
Megan schüttelte den Kopf. »Der König wünscht, dass ich vorläufig hier bleibe, solange Edmund in Wales ist. Um ehrlich zu sein, graut mir ein wenig davor, allein bei Hofe zurückzubleiben, während ihr alle fortgeht.« Mit einem verlegenen kleinen Lächeln hob sie die Schultern.
»Das liegt nur daran, dass du es nicht gewöhnt bist«, mutmaßte ihr Verlobter. »Du hast in Bletsoe wie hinter Klostermauern gelebt. Der König hat schon ganz Recht, dich ein Weilchen hier zu behalten, damit du mal unter Menschen kommst.«
Sie nickte. Es war ein etwas unglückliches Nicken, aber sie war zu gut erzogen, um ihm zu widersprechen.
Julian und Blanche verständigten sich mit einem Blick, dann ergriff Blanche Megans schmale Linke und drückte sie kurz. »Ich bleib bei dir, wenn du willst.«
Das Gesicht des jungen Mädchens hellte sich auf. »Das würdest du tun? Aber gewiss hat Julian gehofft, dass du mit ihm nach Hause reitest, jetzt wo so
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