Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
mehr, der den Lancaster-Thron schützen kann. York wird nicht rasten, bis er die Krone hat.«
Das war nicht gerade Julians Lieblingsthema. Und da er nichtwusste, wo er in dieser Frage stand, war die Königin der letzte Mensch auf der Welt, mit dem er es erörtern wollte. »Madame, ich …«
»Er trachtet meinem Sohn nach dem Leben, Sir Julian«, fiel sie ihm ins Wort, ihre Stimme verblüffend schneidend. »Und meinem Gemahl ebenso.«
»Marguerite …«, begann Edmund beschwichtigend, aber auch er wurde unterbrochen.
»Es ist die Wahrheit«, stieß die Königin hervor, hielt aber die Stimme gesenkt, um den Prinzen nicht zu erschrecken. »Warum wohl, denkt Ihr, hat er alles getan, um zu vereiteln, dass ich während der … Krankheit des Königs die Regentschaft übernahm?«
Edmund und Julian trauten sich nicht, den offensichtlichen Grund anzuführen. Blanche tat es stattdessen: »Ich nehme an, weil Ihr eine Frau seid, Madame.«
Marguerite schnaubte undamenhaft. »Weil er Morgenluft witterte und die Macht an sich reißen wollte. Somerset hat das verhindert, aber nun ist Somerset tot.« Sie stellte den kleinen Edouard auf die Füße und wies auf ihn hinab. »Hier. Das sind die Schultern, auf denen Lancasters Hoffnung ruht. Seht Ihr, wie zerbrechlich sie sind? Und Euch fällt nichts Besseres ein, als mir zu sagen, ich sehe Gespenster und müsse mich beruhigen? Wann werdet Ihr aufwachen, Gentlemen?«
Eine Antwort blieb ihnen erspart, denn die Königin machte auf dem Absatz kehrt, ging hoch erhobenen Hauptes davon und war nach wenigen Schritten zwischen den Bäumen verschwunden. Die Amme ergriff hastig die Hand des Prinzen und folgte ihr.
»Puh«, machte Julian leise, als er sicher war, dass sie sie nicht mehr hören konnte. »Ich hätte nicht gedacht, dass sie eine Furie sein kann.«
Edmund Tudor nickte versonnen. »Regelmäßig, wenn die Sprache auf den Duke of York oder den Earl of Warwick kommt. Unsere Königin hat ein Temperament wie ein Feuerwerk.«
»Hm, passt ja hervorragend. Hat der König doch in etwa soviel Temperament wie ein Schluck lauwarmes Wasser«, behauptete Julian boshaft.
»Wollt ihr wohl aufhören«, schimpfte Megan gedämpft, die nie ein Wort der Kritik an ihrem königlichen Cousin duldete.
»Sie hat wirklich Angst um den kleinen Prinzen, glaube ich«, warf Blanche ein. »Ich bete, dass sie sich täuscht.«
Julian schnalzte mit der Zunge. »Herrgott, was denkt ihr eigentlich alle von York? Dass er ein Ungeheuer ist?«
»Vielleicht nicht«, antwortete Edmund. »Aber er ist überzeugt, das Recht sei auf seiner Seite. Darum ist er gefährlich.«
Julian biss sich gerade noch rechtzeitig auf die Zunge, ehe ihm entschlüpfen konnte, dass er diese Meinung des Duke of York zufällig teilte. Mit einem leisen Seufzen verschränkte er die Arme und schaute in die Richtung, in welcher die Königin verschwunden war. »Auf jeden Fall sieht sie hinreißend aus, wenn sie wütend wird.«
Vor Tau und Tag brach Julian am nächsten Morgen auf. Er gab dem Stallburschen, der ihm Dädalus gesattelt und aufgezäumt ins Freie brachte, einen Farthing, nickte ihm zu und wollte aufsitzen, als sich ein Schatten aus der Dämmerung löste.
»Du wolltest dich also davonschleichen, ohne dich zu verabschieden, ja?«
Julian ließ die Rechte vom Heft seines Schwertes sinken. »Richard«, grüßte er. »Warum in aller Welt sollte ich das tun? Der Lord Chamberlain sagte, du seiest mit York zusammen nach Westminster geritten.«
»Der Lord Chamberlain ist ein Lügner«, eröffnete Warwick ihm leidenschaftslos. »In diesem Fall hat er allerdings ausnahmsweise die Wahrheit gesagt. Ich war in Westminster, und nun bin ich wieder hier.«
Julian nickte und stellte einen Fuß in den Steigbügel. »Ich kann mir vorstellen, dass du als Yorks rechte Hand ein bewegtes Leben hast. Alsdann, Cousin.«
Warwick kam einen Schritt näher und legte ihm die Handauf den Arm. »Warum hast du es so verdammt eilig, Julian? Warum läufst du vor mir davon?«
Julian stellte den linken Fuß zurück ins Gras und befreite seinen Arm mit einem kleinen, beiläufigen Ruck. »Es sind über fünfzig Meilen von hier bis nach Waringham. Wenn ich mich spute, bin ich bei Einbruch der Dunkelheit dort, denn die Straßen sind gut, aber ich sollte nicht trödeln. Im Übrigen laufe ich nicht vor dir davon, aber ich kann dir nicht sagen, was du hören willst. Du hast gefragt, was ich jetzt tun werde, da ich Earl of Waringham bin. Die Antwort lautet: Nachdenken.
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