Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
»solltest verschwinden, ehe irgendwer dich hier sieht.«
»Ich hoffe auf deine Diskretion«, raunte Julian ihm nervös zu.
Owen Tudor zeigte ein höchst unfrommes Grinsen. »Das täte ich an deiner Stelle auch.«
»Owen …«
»Schon gut, schon gut. Sei unbesorgt.«
»Danke.«
Der Benediktiner schlug das Kreuzzeichen über ihm. »Geh mit Gott, Julian.«
Die Königin kam vom Altar zurück. »Danke, Mylord of Waringham. Danke, dass Ihr mir erspart habt, Marguerite in die Hände zu fallen.«
»Dafür müsste sie sich erst einmal nach England bemühen«, gab er zurück. Dann nickte er ihr knapp zu. »Lebt wohl, Madam.« Er wandte sich ab, strich der kleinen Elizabeth zum Abschied über die blonden Engelslocken und verschwand lautlos durch die Tür zum Palast.
König Henry rührte das schmackhafte Pilzgericht nicht an, das man ihm vorsetzte, und schaute sich missmutig in derkleinen Halle um. »Wo sind Marguerites Patisserien?«, quengelte er.
»Was?«, fragte Warwick entgeistert.
»Er meint Tapisserien«, murmelte Julian ihm ins Ohr, und an den alten König gewandt, versicherte er beschwichtigend: »Wir suchen noch danach, Sire. Wir werden alles so schnell wie möglich wieder herrichten, wie es war. Ich bitte Euch um ein paar Tage Geduld.«
Henry nickte, faltete die Hände im Schoß und sah sich furchtsam um wie ein verlassenes Kind in einem fremden Haus. »Ich bin müde«, bekundete er dann. »Ich will mich nun zur Ruhe begeben.«
»Herrgott noch mal …«, knurrte Warwick vor sich hin. Er war seit etwa drei Stunden in der Gesellschaft des Königs, schätzte Julian, und seine Geduld hatte sich schon erschöpft.
Warwick hatte es sich nicht nehmen lassen, König Henry selbst im Tower abzuholen und in einer festlichen Prozession nach Westminster zu geleiten. Ganz so festlich wie beabsichtigt war sie indessen nicht ausgefallen, denn man hatte keine passenden Gewänder für Henry finden können, und er war in seinem schlichten, mönchischen Kittel – wie üblich bekleckert – quer durch London und Westminster geritten. Nicht gerade der Triumphzug, den Warwick sich vorgestellt hatte.
»Wir müssen seine Auftritte in der Öffentlichkeit in Zukunft sorgfältiger planen«, erklärte er, nachdem der König am Arm seines Kammerdieners hinausgeschlurft war.
»Je seltener er sich in der Öffentlichkeit zeigt, desto besser für alle«, gab Julian zurück. »Morgen oder übermorgen wird sein Verstand sich ohnehin verwirren.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte sein Cousin.
»Es passiert immer, wenn die Dinge ihm über den Kopf zu wachsen drohen. So wie seine plötzliche Rückkehr ins öffentliche Leben es gewiss tun wird. Wenn Henry sich überfordert fühlt, verabschiedet er sich in die geistige Umnachtung. Das weiß jeder Lancastrianer …« Er brach ab, schnalzte ungeduldigund machte eine vage Handbewegung. »Entschuldige, Richard.«
»Schon gut. Ich habe mich ja selber noch nicht so recht daran gewöhnt, Lancastrianer zu sein.«
Julian betrachtete ihn versonnen. »Weißt du, im Grunde bist du das auch gar nicht.«
Warwick aß stirnrunzelnd einen Löffel Pilze und entgegnete dann: »Ich hoffe, du willst mich nicht mit Zweifeln an meiner Loyalität langweilen, Cousin.«
»Ich würde mir nie verzeihen, dich gelangweilt zu haben. Aber ich glaube nicht, dass du irgendwem gegenüber wahre Loyalität empfinden kannst außer dir allein. Dein Herz schlägt weder für York noch für Lancaster, denn du stehst über beiden.«
Warwick sah ihm unverwandt in die Augen, seine Miene unmöglich zu deuten. »Nur weiter. Ich bin sicher, du willst auf etwas Bestimmtes hinaus.«
Julian nickte. »Du bist der mächtigste Mann in England, und vermutlich auch der gescheiteste. Das versetzt dich in die Lage, York und Lancaster für deine Absichten benutzen zu können. Du bist ein Königsmacher, Richard.«
Warwick lachte verblüfft. »Ich bin ein was? «
»Du hast Edward die Krone aufgesetzt, und nun gibst du sie Henry zurück. Und Edouard wird der Nächste sein, der König von Warwicks Gnaden wird. Oder jedenfalls hoffe ich das.«
Warwick nahm einen tiefen Zug aus seinem Pokal und erwiderte: »Nun, ich finde, ›Königsmacher‹ ist nicht der schlechteste Titel, unter welchem ein Mann in die Geschichte eingehen kann.«
»Es sieht dir wirklich ähnlich, davon geschmeichelt zu sein«, entgegnete Julian verdrossen. »Deine Eitelkeit ist wahrhaftig deine größte Schwäche.«
»Und deine Überzeugung, die Absichten eines
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