Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
guten alten Zeiten willen. Ich bin nicht sicher.« Vielleicht tat er es auch für Janet. Es würde ihr ein Trost sein, die Königin in Sicherheit zu wissen. »Auf jeden Fall wäre ich dankbar, wenn wir uns jetzt beeilen könnten.«
Sie nickte. »Wenn man uns erwischt, wird Warwick Euch den Kopf abschlagen.«
»Nein, Madam. Er ist mein Cousin und ein Mann mit viel Familiensinn. Aber er würde irgendetwas tun, das mich wünschen ließe, er hätte mir den Kopf abgeschlagen.« Er reichte ihr einen zerknitterten Mantel, der am Fußende des Bettes lag. »Wollen wir?«
Die kleine Elizabeth kehrte zurück, räumte sorgsam ihren Schemel aus dem Weg, und ihr folgte eine dicke, junge Magd, die auf jedem Arm ein Kind hielt. Die Kleinen, Elizabeths Schwestern Cecily und Margaret, waren wach und sahen sich mit großen, bangen Augen um. Eine hatte den Daumen im Mund und sog emsig daran.
Julian führte die kleine Schar zur Tür. »Leise«, schärfte er ihnen ein.
Sie durchquerten die Banketthalle der Königin, verließen sie durch eine Seitentür und gelangten in einen nackten, unbeleuchteten Korridor, den die Dienerschaft benutzte, um Speisen zur Halle zu tragen. Julian hielt eine schützende Hand um die Flamme seiner Kerze und ging voraus. Der Korridor endete in einer weiß verputzten Mauer, die bis auf Schulterhöhe mit dunkel gebeiztem Holz verkleidet war.
Julian übergab die Kerze der schwangeren Königin, kniete sich auf den Boden, tastete am unteren Rand der Holzverkleidung entlang und fand schließlich ein kleines Astloch. Er steckte den Finger hinein, fühlte einen eisernen Haken und zog. Mit einem leisen Schnappgeräusch öffnete sich der Türmechanismus, und ein Abschnitt von einem Schritt Breiteder scheinbar massiven Holzverkleidung schwang leise nach innen.
Die Königin und die Amme zogen verblüfft die Luft ein.
Julian atmete verstohlen auf. »Kommt. Ihr müsst Euch bücken, Madam, aber es sind nur ein paar Schritte.«
Er beugte sich vor, ging mit dem Licht voraus, und tatsächlich war der Weg nur so weit, wie zwei Mauern dick sind. Gegenüber dem geheimen Durchschlupf in der Palastmauer lag eine normale, schmale Holzpforte. Sie war unverschlossen. Julian öffnete sie und führte die Flüchtlinge in die Privatkapelle des hochehrwürdigen Abtes zu Westminster.
Königin Elizabeth, ihre Töchter und die Amme blinzelten im plötzlichen Licht der vielen Kerzen, welches das Gold der Leuchter und der Wandgemälde funkeln ließ.
Ein Mönch stand mit dem Rücken zu ihnen vor dem Altar. Er summte leise vor sich hin und schien eine kostbare Monstranz zu polieren.
Julian lächelte befreit. Er erkannte diesen Bruder selbst von hinten, denn es gab nur wenige Menschen mit so leuchtend rotem Haar. »Owen Tudor?«, fragte er leise.
Ohne Hast wandte der Mönch den Kopf. »Nanu?«
» Tudor ?«, zischte die Königin erschrocken.
Der Mönch, der Edmund und Jasper Tudors jüngerer Bruder war, kam näher. »Julian of Waringham? Was in aller Welt tust du hier? Wieso weißt du von dieser Tür … Oh, dein Vater, natürlich.«
Elizabeth wich furchtsam vor ihm zurück und stieß nach zwei Schritten mit dem Rücken an die kleine Holztür.
Owen Tudor sah sie einen Moment an, und sein Ausdruck war schwer zu deuten. Er war der Sohn, der dem alten Tudor am ähnlichsten sah, dessen Namen er trug, und womöglich dachte er jetzt daran, dass der Gemahl dieser Frau die Verantwortung für die willkürliche Hinrichtung seines Vaters trug. Aber dann lächelte Bruder Owen, und jeder Anflug von Feindseligkeit war aus seiner Miene verschwunden. »Habt keine Furcht mehr. Ihr seid nun im Haus Gottes, und Gott beurteilt Euch nicht danach,ob Euer Gemahl der rechtmäßige König von England ist oder nicht. Hier seid Ihr und Eure Kinder in Sicherheit.« Er zeigte auf den Altar. »Nur seid so gut und tut es schnell, Madam. Stellt mich vor vollendete Tatsachen, ehe der Lancastrianer in mir auf dumme Gedanken kommt.«
Elizabeth schritt auf den Altar zu – verblüffend würdevoll für eine hochschwangere Frau in unpassender Kleidung –, legte die Hand auf das kostbare Altartuch und sagte mit klarer Stimme: »Ich erbitte Asyl für mich und meine Kinder.«
»Dann seid willkommen in Westminster Abbey, Madam«, antwortete Owen prompt. »Hier soll der Friede des Herrn mit Euch sein.«
Sie senkte den Kopf. »Habt Dank, Bruder Owen.«
»Kommt. Ich geleite Euch zum Gästehaus und hole den ehrwürdigen Abt. Und du«, fügte er an Julian gewandt hinzu,
Weitere Kostenlose Bücher