Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
werde … ein eigenes Haus und Gesinde haben.«
»Ja.«
»Meine Söhne können auf die Schule gehen.«
»Erwarte keine allzu große Dankbarkeit von ihnen«, riet er trocken.
»Ich … wir …« Sie wusste nicht weiter, starrte Julian einen Moment bestürzt an, und dann brach sie in Tränen aus.
Nicht wenig konsterniert sah er auf seine Magd hinab, aber noch ehe er entschieden hatte, was er sagen oder tun sollte, trat Lucas Durham in die Halle. »Julian? Ach du Schreck, was ist denn hier los?«
Anabelle ließ die Hände sinken. »Ach, Sir Lucas. Ihr könnt Euch ja nicht vorstellen, was er getan hat …«
Vorwurfsvoll schaute der Ritter seinen Dienstherrn an. »Sag, dass es nicht das ist, was ich glaube.«
»Also, erlaube mal«, entgegnete Julian mit der scheinheiligen Empörung des reformierten Sünders.
»Ich bin ja so glücklich«, stammelte Anabelle schluchzend.
»Im Ernst?«, fragte Lucas entgeistert. Er schüttelte verwirrt den Kopf. »Julian, in deinem Hof warten zwei Dutzend Leute. Was soll ich machen?«
Julian zeigte mit dem Finger auf die völlig aufgelöste Anabelle. »Flöß ihr einen Schluck Branntwein ein. Und wenn sie wieder zu Verstand gekommen ist, frag sie, ob sie sich trotz ihrer neuen Würde noch ein letztes Mal um die Kammern meiner Gäste kümmern würde.« Lachend kniff er Anabelle in die tränenfeuchte Wange und verspürte ein vages Bedauern, als ihm aufging, dass dies vermutlich die letzte Gelegenheit war, da er das wagen durfte.
Dann lief er eilig die Treppe hinab und aus dem Haus. Der ganze Hof war voller Kinder und Pferde. Julian blieb auf der oberen Stufe vor der Haustür stehen, um sich einen Überblick zu verschaffen: Janet war dabei, ihre älteste Tochter aus dem Sattel zu heben, und als sie ihn entdeckte, winkte sie ihm zu und strich sich mit dem Handgelenk eine feuchte Haarsträhne von der Wange. Es war eine selbstvergessene, anmutige Geste, und der Anblick seiner Frau versetzte Julian einen kleinen, freudigen Stich im Bauch. Ein Stück näher am Tor stand Blanche mit ihren Kindern. Der quirlige Owen war schon dabei, die neue Umgebung zu erkunden, und schenkte den Ermahnungen seiner Mutter keinerlei Beachtung. Jasper Tudor, der treue Madog und ein halbes Dutzend weiterer walisischer Ritter waren ebenfalls mitgekommen, und der junge Richmond stand still wie ein Baum inmitten all dieser Betriebsamkeit.
Julian trat zu ihm. »Willkommen in London und in meinem Haus, Richmond.«
Der junge Mann neigte höflich den Kopf. »Danke.«
Julian legte ihm lächelnd die Hand auf die Schulter. »DeinOnkel Jasper hat dich gegen deinen Willen hierher verschleppt?«, tippte er.
Die schwarzen Augen sahen ihn durchdringend an. »Er sagte, ich dürfe deine Einladung nicht ausschlagen.«
Julian nickte. »Ich kann mir vorstellen, dass es dir vorkommt, als hätten wir uns gegen dich verschworen, aber sowohl dein Onkel als auch ich haben nur dein Bestes im Sinn. Du bist der Neffe des Königs und sein Vasall …«
»… und ganz gleich, wie lange ich mich in Wales verstecke, nichts wird sich an diesen Tatsachen ändern, ich weiß«, unterbrach Richmond. »Das habe ich in den letzten Wochen ungefähr hundertmal gehört.«
»Und du wirst es so lange hören, bis du es begriffen hast«, sagte Jasper an seiner linken Seite und schüttelte Julian die Hand. »Verglichen mit der Sturheit dieses Bengels bin ich ein Muster an Einsichtigkeit«, eröffnete er ihm.
Julian verzog amüsiert den Mund. »Dann möge Gott uns beistehen. Kommt rein. Geht hinauf in die Halle und wärmt euch, das wird eure Laune bessern. Und sei willkommen, Jasper. Es ist doch irgendwie eine angenehme Abwechslung, dass du dich einmal nicht wie ein Dieb in mein Haus schleichen musst.«
Jasper brummte zustimmend, packte seinen unwilligen Neffen am Ärmel, als fürchte er selbst jetzt noch, dass Richmond ihm entwischen und zurück nach Wales flüchten könnte, und führte ihn ins Haus.
Julian ging zu seiner Frau, fand sich augenblicklich von seinen Kindern umringt, die an seinen Hosenbeinen zupften und um seine Aufmerksamkeit rangelten, aber erst einmal schloss er ihre Mutter in die Arme, sog ihren Duft tief ein und atmete mit einem Laut des Wohlbehagens wieder aus. »Gute Reise gehabt?«
Sie küsste ihn auf die Wange, und er spürte ihre eiskalte Nasenspitze. »Zumindest war es nicht langweilig«, erwiderte sie mit einem Blick auf die lebhafte Kinderschar.
Julian begrüßte seine Brut, nahm Robin auf die Schultern, Edmund auf
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