Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Für Euch macht es sich bezahlt, dass Ihr jahrelang die Drecksarbeit für die Yorkisten getan habt, nicht wahr? So wie hier, zum Beispiel.« Er wies auf Roland hinab und wandte sich zu Gloucester um. »Seid Ihr sicher, dass Ihr noch bei Verstand seid? Bindet ihn los. Dieser Mann ist ein Neville, ein Kronvasall. Und was Ihr hier tut, verstößt gegen jedes Recht.«
Gloucester hob gleichmütig die breiten Soldatenschultern, sah auf den so grausam gestreckten Leib hinab, holte einen Apfel aus dem Beutel am Gürtel, polierte ihn einen Moment an seinem Ärmel und biss dann hinein. »Ansehen und Einfluss der Nevilles haben in letzter Zeit ein wenig gelitten, Sir«, antwortete er kauend. »Ich glaube nicht, dass der König an der Klage dieses Mannes besonders interessiert wäre. Und natürlich liegt es allein in Eurer Hand, ob und wann wir den armen Tropf erlösen. Also?«
Julian schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht glauben, dass Ihr es auf meine Kinder abgesehen habt. Wenn Ihr jeden ermordenwollt, der noch einen Tropfen Lancaster-Blut in sich trägt, werdet Ihr verdammt viel zu tun haben.«
Gloucester verzog amüsiert den Mund. »Ich könnte gleich mit Euch und mit Eurem Neffen hier anfangen. Und glaubt lieber nicht, das würde mir den Schlaf rauben.«
»Ich schätze, nichts könnte Euch je den Schlaf rauben.«
Gloucester hörte auf zu lächeln. »Eure Zunge sei so scharf wie Euer Schwert, heißt es. Ich merke, es ist wahr. Was würdet Ihr sagen, wenn sie Euren Neffen heute einen Arm oder ein Bein kosten würde?«
Ohne auf seine Aufforderung zu warten, drehte Devereux an der Kurbel, ein gutes Stück dieses Mal, und Roland schrie. Es knackte abscheulich in seinen Gliedern, und dann rang er quälend um Atem.
Julian brach der Schweiß aus.
»Ich habe nicht das geringste Interesse an Euch und Eurer erbärmlichen Bastardlinie«, eröffnete Gloucester ihm. »Aber was ich gern von Euch wüsste, ist, wo wir den jungen Henry Tudor finden, den ihr Lancastrianer so stur den Earl of Richmond nennt.«
Das war ein unerwarteter Schlag. Aber wie schon zuvor verbarg Julian seinen Schrecken hinter einer Maske höflichen Desinteresses. Er war dankbar, dass er in all den Jahren in Marguerites Diensten so viel Gelegenheit gehabt hatte, sich in dieser Kunst zu üben. »Richmond? Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo er ist. Aber wo immer er sein mag, Ihr werdet ihn niemals bekommen, denn jeder Mann in Wales steht zwischen Euch und ihm.«
Gloucester schüttelte seufzend den Kopf. »Falsche Antwort.«
Devereux drehte die Kurbel, und Roland stieß einen so gellenden Schrei aus, dass Julian sich wunderte, woher er die Luft dafür bekam. Wieder knirschte und knackte es in den zum Zerreißen gespannten Sehnen und Knochen. Wie lange werden sie weitermachen?, fragte Julian sich in aufsteigender Panik. Bis das Bein, das Roland sich gebrochen hatte, wieder entzweiriss? Würde der Junge so lange überhaupt noch leben? Sein Gesichtwar zu einer schaurigen Fratze verzerrt, er rang wimmernd nach Luft, und er hatte sich nass gemacht. Das passierte jedem auf der Streckbank, wusste Julian. Wenn ein bestimmter Punkt an Schmerz überschritten war, folgte der Körper seinen eigenen Regeln und entzog sich jedem bewussten Befehl.
Dass sie Roland die Würde stahlen, machte Julian wütender als die Schmerzen, die sie ihm zufügten. Der Krieg war nun einmal ein bitteres Geschäft, und Schmerz gehörte ebenso dazu wie Blut und Tod. Aber dass ein Edelmann einem anderen die Würde nahm, war unverzeihlich, war ebensolch ein Beweis für das Auseinanderbrechen der Welt wie der Königsmord.
Devereux legte wieder die Hand an den Griff und beobachtete mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu, welche Folgen jetzt selbst die kleinste Bewegung des Balkens hervorrief. Auch Gloucester hielt den Blick unverwandt auf den gequälten, nackten Leib seines Opfers gerichtet, aber sein Interesse war distanzierter, zielgerichtet. Er biss in seinen Apfel. »Nun, Waringham? Habt Ihr mir nicht vielleicht doch etwas zu sagen? Ein klitzekleiner Hinweis wäre schon genug. Ein Ort. Ein Name.« Er sah nicht auf. »Heiliger Georg … gleich reißt der Kerl in der Mitte durch. Stellt Euch die Sauerei vor.«
Er sah die Bewegung aus dem Augenwinkel und reagierte sofort, aber Julian war zu schnell für ihn. Er stahl dem Duke of Gloucester das Schwert aus der Scheide, setzte ihm die Klinge an die Kehle und ritzte ihm die Haut ein, noch ehe Gloucester auch nur die Hände heben
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