Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Rücken zu decken oder gelegentlich den Arsch zu retten, damit du dich jetzt hier mit deinem Gürtel erhängst, ist das klar?«
Julian sah sich suchend um. »Woran denn?«, fragte er verdrossen. »Hier ist nichts, woran man auch nur einen Hut hängen könnte.«
Lucas winkte ab. »Du hast mich sehr gut verstanden.«
»Ich habe dich verstanden«, bestätigte Julian. »Und ich möchte, dass du jetzt gehst. Nimm Mortimer und verschwinde aus London. Ich danke dir für alles, was du getan hast, aber du bringst dich und den Jungen in Gefahr, wenn ihr euch meiner weiterhin so offensichtlich annehmt. Und das will ich nicht. Klar?«
»Julian, hör zu …«
»Nein«, unterbrach Julian, und seine Stimme trug die ganze Autorität seines verlorenen Standes. »Du hast dafür gesorgt,dass ich weiterlebe, also lade nicht noch mehr Schuld auf mich. Dazu hast du kein Recht.«
Lucas dachte einen Moment nach. Dann nickte er unglücklich. »Also schön. Aber ich werde in der Nähe bleiben und erfahren, was hier vorgeht.«
Julian stand auf, um anzuzeigen, dass diese Unterhaltung vorüber war. »Das ist dir unbenommen.«
Lucas erhob sich ebenfalls. »Auf bald, Mylord.«
»Leb wohl, Lucas.«
Sie umarmten sich kurz, und das frische Stroh raschelte unter Lucas’ feinen Stiefeln, als er zur Tür ging. Er klopfte, der Riegel rasselte, und der Ritter trat hinaus, ohne sich umzuschauen.
Julian setzte sich wieder ins Stroh, bettete die Stirn auf die angewinkelten Knie, schloss die Augen und wandelte in Finsternis.
Ein letztes blutiges Werk galt es noch zu vollbringen, ehe König Edward seinen Sieg vollkommen und seinen Thron unantastbar nennen konnte.
Als er London und Westminster Anfang April zurückeroberte, hatte der alte Lancaster-König ihn mit unverhohlener Erleichterung begrüßt: »Willkommen, willkommen, liebster Cousin York. In Euren Händen, dessen bin ich sicher, habe ich wahrlich und wahrlich nichts zu befürchten.« Und Edward hatte ihm die Hand gereicht und erwidert: »Ihr könntet schwerlich in der Obhut eines anderen Mannes sicherer sein, Cousin.«
Doch dann war die Schlacht von Barnet gekommen, und Warwick war gefallen. Die Schlacht von Tewkesbury war gekommen, und Prinz Edouard war gefallen. Das hatte die Lage radikal verändert.
Niemand hatte es für nötig befunden, den einsamen alten Mann im Tower davon in Kenntnis zu setzen, dass er die letzte, doch schon recht welke Blüte am verdorrenden Baum der roten Rose war, und er sah auch den Schlag nicht kommen, der diesen Baum endgültig fällte.
Am Abend des einundzwanzigsten Mai – des Tages, da König Edward, seine Brüder und seine Armee im Triumph in London einmarschiert waren und die gefangene Marguerite in einer Kutsche mit sich führten, wie es einst die römischen Feldherrn getan hatten – öffnete sich plötzlich die Tür zu Julians Verlies.
Er hob den Kopf und sah zwei Wachen eintreten. Wortlos blickte er ihnen entgegen.
Sie lächelten, halb hämisch, halb verschämt. Der Ältere machte eine auffordernde Geste. »Kommt.«
Julian stand auf und fragte nicht, wohin.
Sie fesselten ihm nicht die Hände, wie er erwartet hatte, sondern führten ihn beinah höflich die Treppe hinauf ins Freie, ein Stück durch den Innenhof und zum Eingang des Wakefield Tower. Dort wies der eine auf die Tür. »Geht hinauf, Sir.«
Julian sah ihn einen Moment forschend an, dann drückte er gegen die Tür, trat ein und stieg die vertraute Wendeltreppe hinauf. In König Henrys Quartier war es warm und dämmrig. Nur eine Kerze brannte neben einer aufgeschlagenen Bibel auf dem Tisch am Fenster, ein weiteres kleines Licht flackerte in der Kapelle.
Julian ging langsam darauf zu. »Sire?«
Der unverwechselbare Geruch von Blut stieg ihm in die Nase, ehe er die Füße entdeckte. Sie steckten in alten Lederschuhen, und Julian sah einen Flicken unter der linken Sohle. Er schloss für einen Moment die Augen, dann trat er an den Eingang des kunstvollen Wandschirms.
Henry lag auf der linken Seite, die rechte Hand zum Altar ausgestreckt, und sein grauer, eingeschlagener Kopf war von einer Blutlache umgeben, die im schwachen Licht schwarz glänzte.
Julian stieg vorsichtig über ihn hinweg, kniete sich auf den Boden, nahm den König behutsam bei den mageren Schultern und drehte ihn um. Trübe braune Augen starrten blicklos an ihm vorbei ins Leere.
Julian bettete den blutigen Kopf in seinen Schoß, strich mit der Hand über die Augen und schloss die Lider. »Es tut mir leid,Cousin
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