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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Henry«, flüsterte er. »Wir haben nie gut genug auf dich Acht gegeben.«
    Dann betete er und wartete. Und er war alles andere als überrascht, als er nach einer Weile Gloucesters Stimme aus der Dunkelheit hörte: »Nun, Waringham? Nicht eine einzige Träne für Euren König?«
    Julian wandte den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam. »Habt Ihr mich herbringen lassen, um mir Gelegenheit zu geben, ihn zu beweinen? Wie großmütig, Mylord.«
    Gloucester lachte mit scheinbar gutmütigem Spott und trat in den matten Lichtkreis – eine hohe Schattengestalt, deren Augen leere Höhlen zu sein schienen. »Ich fand es angemessen, dass Ihr ihn seht, um Euch das Ausmaß Eures Versagens vor Augen zu führen. Hieß es nicht einmal, die Waringham seien die Hüter der Lancaster?«
    Julian nickte. »Eine Rolle, die mir immer schwergefallen ist. Aber wir alle sind Geiseln der Taten unserer Väter. Ich wünsche Euch, dass Euch diese bittere Erfahrung nicht erspart bleibt.«
    »Ah. Mit anderen Worten, Ihr hofft, dass der Fluch, den Euer alter Herr mit seinem letzten Atemzug ausgesprochen hat, sich an mir erfüllt?«
    »Wenn Ihr so wollt.«
    Gloucester nickte versonnen. »Nun, die Hoffnung ist das, was denen bleibt, die alles andere verloren haben, nicht wahr?«
    Julian hatte genug gehört. »Was wollt Ihr von mir, Gloucester? Mein Blut mit dem meines Königs mischen? Bitte. Aber dann tut es auch und erspart mir Eure Narrenweisheiten.«
    Gloucesters Lächeln verschwand. Er kam einen Schritt näher. Jetzt erkannte Julian einen bläulichen Bartschatten auf seinem Kinn. »Wenn Ihr ahntet, wie gern ich es täte. Aber der König wäre verstimmt. Er hat eine höchst befremdliche Schwäche für Euch, Waringham. Vermutlich weil Ihr Elizabeth, dieses durchtriebene Miststück, und ihre Bälger ins Asyl gebracht habt letzten Herbst. Ihr haltet Euch immer ein Hintertürchen offen, falls der Wind dreht, wie? In der Hinsicht seid Ihr meinem Bruder Clarence wirklich ebenbürtig.«
    »Jetzt werdet Ihr richtig ausfallend, Söhnchen.«
    Gloucester kam noch einen Schritt näher. »Ich kann Euch nur raten, mir ein wenig mehr Respekt zu erweisen.«
    »Ah ja? Weil sonst was passiert?«
    Gloucester antwortete nicht mit einer direkten Drohung, sondern wechselte scheinbar unvermittelt das Thema. »Hat Euch schon jemand die gute Nachricht verkündet, dass der Schweinestall, den Ihr Eure Baronie zu nennen beliebtet, in Zukunft mir gehören wird?«
    Julian nickte mit größter Gelassenheit. Selten hatte ihn etwas mehr Beherrschung gekostet. »Das Gute daran ist, dass an einem so bescheidenen Besitz selbst Ihr keine wirklich große Katastrophe anrichten könnt.«
    Gloucester lächelte wieder. »Kommt. Ich möchte Euch den Mann vorstellen, der dort mein Steward werden soll.«
    Julian fiel auf Anhieb niemand ein, den kennen zu lernen er weniger Neigung verspürte. Er wies mit dem Kinn auf den toten König in seinen Armen. »Ihr müsst verrückt sein, wenn Ihr glaubt, ich lasse ihn hier in seinem Blut liegen.«
    Gloucester machte eine auffordernde Geste. »Bitte. Tut, was Ihr für angemessen haltet.«
    Julian schob einen Arm unter den Nacken des Toten, einen unter seine Knie. Als er aufstand, spürte er, wie die Wunde an der Schulter wieder aufbrach. Falls er den nächsten Tag noch erlebte, würde er von Doktor Woodroff allerhand zu hören bekommen, nahm er an. Aber Henrys Gewicht in seinen Armen erschien ihm kaum schwerer als das seines Ältesten. Ohne Mühe trug er den Leichnam zum Bett hinüber, legte ihn behutsam ab, streckte die Beine ordentlich nebeneinander aus und faltete ihm die Hände auf der Brust. Sofort tränkte Blut das makellos weiße Kopfkissen, aber trotzdem wirkte der König friedlich und würdevoll. Julian küsste ihm die Stirn. »Ruht in Frieden, Sire. Diese gottlosen Zeiten hätten nie die Euren sein dürfen.«
    Gloucester hielt ungeduldig die Tür auf. »Können wir?«Er führte Julian zurück in den Innenhof und auf einen der vielen Türme zu, die die innere Ringmauer des Tower säumten. Gloucester schlenderte gemächlich einher und schaute zum nächtlichen Himmel auf. Über London hing immer eine undurchdringliche Glocke aus Rauch und Ruß, aber hier, am östlichen Stadtrand und so nah am Fluss war der Schleier aufgerissen und bot einen Blick auf den herrlichen Sternenhimmel.
    Julian hatte keinen Sinn dafür. Er war über Henrys Ermordung tiefer erschüttert, als er für möglich gehalten hätte. Er hatte für diesen König nie etwas

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