Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
»Fair ist es nicht.«
»Mag sein, aber so ist nun einmal das Los der Frauen«, entgegnete Janet und warf ihrer Schwägerin einen Blick zu, der sagte: Setz ihr nicht noch mehr Flausen in den Kopf.
Es war für keinen von ihnen leicht. Selbst wenn Julian und Edmund auf See oder in England waren, umfasste der Haushalt immer noch vierzehn Personen, und sie hatten kein Gesinde, weil sie zu arm waren. Sie hatten auch nie genug Platz. Der bretonische Hof hatte keinen festen Sitz, sondern zog durchs Land, so wie die englischen Könige es bis vor zweihundert Jahren auch noch getan hatten, und wo sie hinkamen, wies der Haushofmeister des Herzogs den englischen und walisischen Gästen ein Haus zu, welches immer zu klein war. Sowohl Jasper als auch Julian hatten versucht, mit ihm zu reden. Sie hatten ihn sogar bestochen. Er hatte lächelnd ihr Geld eingestrichen, und alles war geblieben wie zuvor.
Es war heiß und feucht in der Küche, und auf Alice’ Oberlippe hatte sich ein feiner Schweißfilm gebildet. Sie nickte ihrer Cousine zu. »Lass uns lieber gehen, ehe ich hier drin zerfließe.«
Sie nahmen den schweren Wäschekorb in die Mitte und traten in den sonnigen und windigen Apriltag hinaus.
Blanche ging an die offene Tür, um ebenfalls ein wenig Kühlung zu erhaschen, und schaute den beiden gleichaltrigen, aber so verschiedenen Cousinen nach. Angharad war Blanche wie aus dem Gesicht geschnitten. Das Haar, das ihr offen bis auf die Hüften fiel, war ebenso schwarz und gelockt, ihre Augenvon dem gleichen warmen Braun. Aber das Mädchen hatte das Gemüt seines Vaters geerbt, begegnete der Welt voller Skepsis und oft schweigend. Angharad war ein gutes Kind, wusste Blanche, aber man musste manchmal genau hinsehen, um das zu merken. Julians und Janets älteste Tochter hingegen machte aus ihrem Herzen keine Mördergrube. Ihre Brüder nannten sie zickig. Ihre Mutter nannte sie »einen typischen unbelehrbaren Waringham-Dickschädel«. Blanche fand, sie alle taten ihr unrecht, und von ihren zahlreichen Nichten und Neffen liebte sie Alice am meisten, weil das Mädchen ihr ähnlich war – auch wenn es seinem Vater nachschlug und somit zumindest äußerlich eine typische Waringham war.
»Ich hoffe, wir haben das Richtige für unsere Töchter getan«, sagte Blanche, als sie an die Arbeit zurückkehrte. »Unter diesen Umständen ist es so schwierig, ihnen zu vermitteln, wer sie eigentlich sind. Keine von ihnen besitzt wirklich genug höfische Bildung – außer eurer Juliana vielleicht, weil sie immerzu mit Mortimer zusammensteckt. Womöglich hatte Jasper Recht, und wir hätten zumindest die Mädchen in Megans Obhut in England lassen sollen.« Sie breitete einen fadenscheinigen Mantel, der vom Einweichen tropfnass war, auf dem Küchentisch aus, fuhr mit der Wurzelbürste über den Seifenklumpen und rückte dem Mantel dann zu Leibe. Kleine Rinnsale liefen über die Tischkante und versickerten im Bodenstroh.
»Ich musste als Mädchen auch hart arbeiten«, wandte Janet ein. »Es hat mir nicht geschadet, glaube ich.« Aber sie klang nicht mehr so streng wie eben. »Ich weiß natürlich, was du meinst, aber wir müssen doch realistisch sein, Blanche. Wer kann sagen, ob unsere Töchter je etwas Besseres zu erwarten haben, als einen bretonischen Ritter zu heiraten oder in ein bretonisches Kloster einzutreten? Wäre es nicht sträflich, sie für ein höfisches Leben in England zu erziehen, das sie vielleicht niemals haben werden?«
»Aber was soll werden, wenn sie dieses Leben zurückbekommen, aber nicht darauf vorbereitet sind?«
Janet lächelte ein wenig wehmütig. »Darüber können wir uns sorgen, wenn dieses Wunder eintreten sollte.«
»Ja, ich weiß, du glaubst nicht daran, dass wir eines Tages nach England zurückkehren und Richmond König wird«, gab Blanche zurück. Aus dem Garten waren ein dumpfer Schlag und das Splittern von Holz zu hören. Blanche warf einen Blick zum Fenster. »Guter Junge, Andrew«, murmelte sie. Ihr Stiefsohn stand mit bloßem Oberkörper am Hackklotz und spaltete das Holz, welches die Gehilfen des herzoglichen Försters ihnen am Vortag geliefert hatten.
»Manchmal sehne ich mich so schrecklich nach Waringham, dass es sich anfühlt, als werde mein Herz mittendurch brechen«, gestand Janet unerwartet. »Und ich weiß, wie sehr Julian unsere Verbannung quält. Aber wir dürfen nicht undankbar sein. Gott hat uns alle leben lassen damals und uns sicher hierher geführt. Wieso haben wir in zwölf langen
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