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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Blick senken. So groß war seine Verehrung für Lord Richmond, dass ihm das Herz immer bis in die Kehle schlug, sobald der das Wort an ihn richtete. Harry fand, man konnte merken, dass dieser Mann dazu geboren war, eine Königskrone zu tragen. Er war vornehm und konnte so streng und würdevoll sein, dass er einem Furcht einflößte. Meist war er jedoch freundlich – wenn auch eine Spur unnahbar –, und niemals beteiligte er sich an den grausamen Späßen, die die älteren Brüder und Cousins manchmal auf Harrys Kosten trieben.
    Jetzt legte er dem Knaben die Hände auf die Schultern. »Vertraust du mir, Harry?«
    Der Junge starrte auf den klebrigen Sand zu seinen Füßen, nickte aber heftig.
    »Dann lass dir gesagt sein: Das Schneckenweitspucken ist ein sehr alter bretonischer Brauch. Eine Art Mutprobe, wenn du so willst. Man stellt seine Geschicklichkeit ebenso wie seine Männlichkeit damit unter Beweis, verstehst du?«
    »Mit etwas so Ekligem?«, fragte Harry und hob zweifelnd den Blick.
    Richmond nickte. »Gerade deswegen«, antwortete er mit einem schwachen Lächeln. »Und die Regel sagt, der Jüngste fängt an. Also? Wirst du’s wagen?«
    Harry zögerte nicht länger. Wenn Robin oder ihr Cousin Owen − die beiden schlimmsten Flegel, die Gott je erschaffen hatte − ihm diese hanebüchene Geschichte aufgetischt hätten, hätte Harry gewusst, dass sie ihn anlogen. Aber wenn LordRichmond sagte, es sei ein Beweis von Männlichkeit, eine Schnecke in den Mund zu nehmen, dann musste es einfach stimmen.
    Sie gingen ein Stück näher ans Wasser, wo Goronwy eine Linie in den Sand gezogen hatte. Hier im Süden der Bretagne unweit von Vannes war die Küste nicht felsig und zerklüftet, sondern flach und anmutig, und ein lieblicher, langer Strand zog sich am Ufer des Meeres entlang. Der Seewind war kühl, aber seit einer Woche war das Aprilwetter mild und sonnig, und die sieben jungen Männer warfen lange Schatten. Möwen segelten kreischend über dem dunkelblauen Wasser und stießen herab, um sich Fische aus der Brandung zu holen.
    Harry straffte die Schultern, trat an die Markierungslinie und blickte den Strand entlang. Dann warf er sich mit einer plötzlichen Bewegung das Schneckenhaus in den Mund, kniff die Augen zu und spuckte es wieder aus, ehe Zunge und Gaumen so recht merken konnten, was ihnen hier zugemutet wurde. Trotzdem blieb ein Tröpfchen kühler Schleim an der Innenseite seiner Lippe haften, und Harry rieb sich mit dem Ärmel wild über den Mund und stieß halb unterdrückte Laute des Ekels aus.
    Owen, Goronwy und John lachten schallend.
    Robin trat von der Linie zu der Stelle, wo die Schnecke im Sand lag. »Hm. Etwa zwei Schritt weit, würde ich sagen. Damit muss John die Trophäe des miserabelsten Schneckenspuckers aller Zeiten leider an Harry abgeben.«
    »Hör nicht auf ihn«, raunte Richmond dem Jungen zu, der über seine mäßige Leistung und den Spott sichtlich beschämt war. »Du hast dich überwunden. Das war der wichtigste Schritt. Der Rest kommt mit der Zeit.«
    Harry spürte seine Wangen noch heißer werden, aber da Richmond weder gönnerhaft noch mitleidig gesprochen hatte, konnte er es ertragen.
    Der Erfolg bei diesem Wettstreit hatte nichts mit Körpergröße zu tun, lernte er schnell, sondern allein mit Geschick und Erfahrung. So spuckte sein fünfzehnjähriger Bruder Johnein gutes Stück weiter als Robin, der Älteste. Mortimer wiederum musste sich Goronwy geschlagen geben. Owen schied aus, weil er beim Anlauf zu viel Schwung genommen hatte und die Linie übertrat. Murrend warf er zwei kleine Münzen in den chronisch leeren Beutel, aus dem die Älteren ihre Zeche bezahlten, wenn sie gelegentlich abends in ein Wirtshaus gingen.
    Richmond kam als Letzter an die Reihe. Mit verengten Augen und konzentrierter Miene trat er fünf Schritte zurück, stemmte die Hände in die Seiten und maß die Entfernung zur Linie. Dann hockte er sich hin und wälzte seine Schnecke im Sand.
    »Warum tut Ihr das, Mylord?«, fragte John. »Ihr werdet den Mund voller Sand haben.«
    »Hm«, machte Richmond versonnen und stand wieder auf. »Das kleinere Übel, denkst du nicht? Außerdem verleiht die raue Oberfläche der Schnecke ein besseres, wie soll ich’s nennen … Spuckverhalten.«
    Der Erfolg gab seiner sonderbaren Theorie Recht. Richmond nahm einen kurzen Anlauf, sprang und warf gleichzeitig den Oberkörper nach vorn. Am höchsten Punkt seines Sprungs ließ er die Schnecke aus dem Mund schnellen, und Harry

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