Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
verurteilter Verräter und Pirat. In vierzigTagen müssen wir dich dem Sheriff ausliefern, ob es uns gefällt oder nicht, und …«
»Ich bin über das Gesetz im Bilde, Owen«, unterbrach Julian unwirsch. »Denkst du, ich wäre hier, wenn ich einen anderen Weg gesehen hätte?«
Owen schaute ihm einen Moment in die Augen, und plötzlich gab er seine ablehnende Pose auf. »Was ist passiert?«
Julian berichtete, was sich an diesem Tag im Kronrat zugetragen hatte, und ebenso erzählte er von ihrem knappen Entkommen in St. Paul’s.
Owen lauschte mit schreckgeweiteten Augen. Schließlich bekreuzigte er sich, dachte einen Moment nach und sagte dann: »Du musst mit der Königin reden.«
»Deswegen bin ich hier. Aber wenn du so gut sein willst, besorg mir vorher einen Priester. Ich will beichten.«
Er hatte auf geweihtem Boden einen Mann erschlagen. Er hatte es tun müssen, um sein eigenes Leben zu retten, aber das änderte nichts an der Schwere der Sünde. Julian fühlte sich von ihrer Last ebenso beladen wie von dem furchtbaren Verdacht, der ihn beschlichen hatte, seit er von Hastings’ Hinrichtung erfahren hatte.
Lucas Durham kam niemals in Waringham an. Da er und Julian einen der yorkistischen Spione in St. Paul’s hatten leben lassen, war dem Lord Protector zu Ohren gekommen, was dort vorgefallen war, und Lucas wurde verhaftet, als er das innere Stadttor an der London Bridge passieren wollte. Hätte man ihn in eins der Stadtgefängnisse gesperrt, wären die Chancen auf eine Flucht dank der hervorragenden Beziehungen der Durham gar nicht schlecht gewesen. Doch auf Anweisung des Lord Protector landete Lucas an dem Ort auf der Welt, den er am meisten verabscheute: im Tower of London.
Julian erfuhr davon nichts. Er harrte im Kloster zu Westminster aus und wartete mit zunehmender Ungeduld darauf, dass die Königin ihn empfing. Doch Elizabeth weigerte sich. Es gebe nichts, was sie mit einem lancastrianischen Verräterzu erörtern habe, ließ sie ihm durch Bruder Owen ausrichten.
Julian schnitt eine Grimasse des Unwillens. »Ich bin es langsam satt, so genannt zu werden«, erklärte er hitzig. »Würdest du sie daran erinnern, dass sie selbst mit Haut und Haar Lancastrianerin war, ehe Edward of March sie in sein Bett gelockt hat?«
»Nein«, beschied Owen. »Ich bin überzeugt, sie hat es nicht vergessen.«
»Dann sei wenigstens so gut und sag ihr, ich wolle nicht in meiner Eigenschaft als Verräter, sondern als alter Freund mit ihr sprechen.«
»Schon besser. Ich fürchte nur, es wird nichts nützen. Die Königin ist eine sehr verbitterte Frau, Julian. Voller Misstrauen. Und man kann es ihr kaum verdenken. Viele, die sich ihre alten Freunde nannten, haben sie im Stich gelassen.«
»Na ja, das ist kein Wunder«, knurrte Julian. »Sie hat ihre alten Freunde immer leer ausgehen lassen und stattdessen ihre Geschwister und Onkel und Cousins und so weiter mit Ländereien und reichen Erbinnen beglückt.«
»Man könnte es auch andersherum betrachten«, wandte Owen Tudor ein. »Vielleicht gibt sie den Angehörigen ihrer eigenen Familie den Vorzug vor allen verdienten Lords und Rittern, weil sie die Erfahrung gemacht hat, dass sie sich allein auf ihre Familie verlassen kann.«
Julian betrachtete ihn kopfschüttelnd. »Du weißt genau, dass das nicht stimmt. Eure Klostermauern sind nicht so dick, dass ihr nicht genau wüsstet, was nebenan im Palast vorgeht.«
Owen machte eine unbestimmte Geste, die weder zustimmte noch verneinte. »Wir sprachen nicht davon, was ich weiß oder glaube, sondern sie.«
Julian nickte und sah durch das Fenster des schmucken Gästehauses einen Moment auf den Fluss hinaus. Drei kleine Jungen tollten auf der Uferwiese umher und rangelten um einen Fußball. Alle drei waren blond und athletisch gebaut, hatten die gleiche aristokratische Nase und schmale Brauen. Sie saheneinander ähnlich wie Brüder, aber das konnten sie nicht sein, denn sie schienen alle etwa gleich alt zu sein, acht oder neun. Julian hatte keine Mühe, sie zu erkennen. »Nun schau sie dir an, Owen. Die Yorks der nächsten Generation. Einträchtiger, als ihre Väter es jemals waren.«
Die Knaben waren Cousins: König Edwards zweiter Sohn, Richard of York. Gloucesters Sohn Edward. Und den gleichen Namen trug auch der dritte, der einzige überlebende Sohn des trunksüchtigen Duke of Clarence. Da der Vater des Jungen den König einmal zu oft verraten und vor sechs Jahren in einem aufsehenerregenden Prozess vom König selbst
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