Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Jahren, dass sie guter Hoffnung war, und mehr als eine einzige Tochter hatte sie bislang nicht vorzuweisen.
Aber ihr Lächeln blieb ungetrübt. »Ganz im Vertrauen, Sir Julian, ich hätte gar nichts gegen eine zweite Tochter. Söhne machen Müttern ja doch nichts als Kummer, nicht wahr? Die Eure weiß gewiss ein Lied davon zu singen.« Sie gab nur vor zu scherzen.
»Meine Mutter ist geduldig und hat sich eigentlich nie sonderlich über mich beklagt, Madam, aber mein Vater hat mir gelegentlich prophezeit, dass all meine Schandtaten zurückkehren werden, um mich heimzusuchen, wenn ich eines Tages erleben muss, wie meine eigenen Söhne sie begehen.«
»Ich bin überzeugt, Eure Söhne hätten alle Hände voll zu tun, Sir«, erwiderte sie verschmitzt. »Aber damit hat es ja gewiss noch ein paar Jahre Zeit, nicht wahr? Oder hat Henry Euch schon eine Braut ausgesucht und will Euch verheiraten, noch ehe Ihr Euch regelmäßig rasieren müsst?«
Er spürte, dass seine Wangen sich röteten. Das ärgerte ihn, denn nun hatte sie ihn da, wo sie ihn wollte: Er fühlte sich dumm und mauseklein und gedemütigt, genau wie damals. Nur konnte er es heute besser verbergen. »Der König hat noch nie davon zu sprechen beliebt, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es etwas damit zu tun hat, dass mein Bartwuchs ihm spärlich erscheint. Wäre das ein Kriterium, hätte der König schließlich bis heute keine Königin.«
»Nun, in Eurem Fall besteht ja noch Hoffnung, dass die Jahre es richten.«
»So betrachtet, kann ich mich glücklich preisen, denn mir hat das fortschreitende Alter noch Vorzüge zu bringen. Und nun muss ich Euch bitten, mich zu entschuldigen.«
Er verneigte sich knapp, nickte Warwick, der den Austausch mit amüsierter Miene verfolgt hatte, kurz zu und wandte sich ab. Mit langen Schritten, aber ohne verräterische Hast ging er davon.
Er hatte in ihren Augen gesehen, dass er sie mit seinen letzten Worten getroffen hatte. Anne Beauchamp war an die dreißig, über zwei Jahre älter als ihr Gemahl, und wie er geahnt hatte, litt sie unter diesem Umstand und fürchtete das Alter.Aber sein Sieg war schal. Er hatte sie verletzt, und nun fühlte er sich schäbig, und es brachte ihn zur Verzweiflung, dass sie und ihr gekränkter Blick ihn nach all den Jahren immer noch berühren konnten.
Mit dreizehn war Julian in Warwicks Haushalt gekommen – ein verschlossener, scheuer Junge, der nie zuvor allein in der Fremde gewesen war und der unter den Erinnerungen an das grausige Gemetzel von Waringham litt. Doch gleich am ersten Tag hatte er sich rettungslos in die Herrin der schönen Burg verliebt. Länger als zwei Jahre hatte er sie aus der Ferne bewundert, während aus dem verschüchterten Knaben allmählich ein junger Gentleman wurde, und sich nach ihr verzehrt. Manchmal war sein Schmerz ihm süß vorgekommen, wie etwas Kostbares, das man in einem Tonkrug auffangen und sorgsam verschließen müsse, damit es niemals verflog. Manchmal hatte es ihn stolz gemacht, wie mannhaft und klaglos er sein Leid ertrug, und er hatte sich vorgestellt, er sei ein Gralsritter, der jede Prüfung und jeden Feind überwinden konnte, weil der Kummer seines Herzens ihn stark gemacht hatte. Unsinniges, schwülstiges Zeug, wie nur ein halbwüchsiger Knappe mit Liebeskummer es sich ausdenken konnte, dachte er heute oft mit einem verschämten Lächeln. Aber er hatte sie geliebt, und er hatte gelitten, so viel stand fest. Und nachdem sie ihn zwei Jahre lang mit ihren Blicken, dem Spiel ihrer Wimpern und den Lockungen ihres Lächelns dazu ermuntert hatte, war er eines Tages in die Vorratskammer geschlichen, hatte einen Becher Rotwein getrunken, um sich Mut zu machen, war zu ihr gegangen und hatte ihr seine Liebe gestanden.
Ihr Hohn, ihr Gelächter und ihr Spott fühlten sich selbst heute in der Erinnerung noch an wie Geißelschläge. Sie hatte gelacht, bis sie ganz außer Atem war. Abwechselnd hatte sie sich die Seiten gehalten und mit dem Finger auf ihn gezeigt. Und er hatte mit grausamer Klarheit erkannt, was sie vor sich sah: einen schlaksigen, dürren Jungen im Stimmbruch mit blonden Kinderlocken und einem riesigen Adamsapfel. Eine lächerlicheGestalt, obendrein leicht angetrunken und so erniedrigt, dass er geglaubt hatte, er müsse gewiss daran sterben. Doch als er fliehen wollte, hatte sie ihm die Tür versperrt. Und sie hatte fürchterliche Dinge zu ihm gesagt. Was er denn schon könne, hatte sie ihn gefragt. Ob es sich denn lohne, ihren Gemahl
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