Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
die Auffassung, dass es angesichts seines Schuldenbergs auf ein paar weitere hundert Pfund nicht ankäme, denn es war an nichts gespart worden: Burgundische Köche hatten Kapaun in einer Pfeffersauce bereitet, Wildschweinkopf und Aalpasteten, Rohrdommeln, Wachteln und Schnepfen, Eier in Gelee, Pfauen und Schwäne im Federkleid, es gab cremige Suppen und Erbsenpüree und zwischendurch die herrlichsten Süßspeisen: eingemachte Quitten in syrischem Wein, Pudding mit geschälten Nüssen, Waffeln und lombardische Schnitten.
Julian saß mit Blanche am rechten Seitentisch, von wo aus sie einen freien Blick auf das Brautpaar, das Königspaar und die übrigen Gäste an der erhöhten Ehrentafel hatten, und aß ohne alle Hemmungen.
»Sie ist eine wunderschöne Braut, unsere Megan«, seufzte Blanche zufrieden.
»Nach meinem Geschmack wär sie in zwei Jahren eine viel schönere Braut«, brummte Julian.
»Ach, das ist doch albern.« Blanche fegte den Einwand mit einer ungeduldigen Geste beiseite. »Sie ist heiratsfähig, und damit Schluss.«
»Ja, das hab ich mir auch schon ein paar Mal vorgebetet, aber ich verstehe trotzdem die Eile nicht«, beharrte Julian.
Seine Schwester blieb eine Antwort schuldig. Ihr Blick wurde eigentümlich vage. Es war, als verschließe sich etwas in ihr, beinah als ziehe sie eine innere Zugbrücke ein.
Julian wusste genau, dass irgendein Geheimnis diese Hochzeit umgab, und es machte ihn schier wahnsinnig, dass seine Schwester es kannte und ihm nicht verraten wollte. Doch ehe er sie noch einmal bedrängen konnte, wechselte Blanche das Thema.
»Der blonde Mann neben Edmund ist sein Bruder Jasper?«, fragte sie.
Julian steckte sich einen Löffel Aalpastete in den Mund und zog eine Braue in die Höhe. »Sag nicht, du kennst ihn nicht«, entgegnete er kauend. Auf den missfälligen Blick seiner Schwester hin schluckte er, ehe er fortfuhr: »Er kam früher oft nach Bletsoe, genau wie Edmund.«
Blanche schüttelte den Kopf. »Nie, wenn ich dort war.«
»Na ja. Jasper ist der Earl of Pembroke.«
»Pembroke liegt in Wales?«
Er nickte und spülte den Riesenbissen Aal mit einem ordentlichen Zug Wein nach. »Dort treibt Jasper sich meistens rum, ja. Aber ich glaube, er ist auch öfter bei Hofe als Edmund. Jedenfalls hat er bei St. Albans gegen Yorks Truppen gekämpft. Und er ist schon seit drei Tagen hier. Seltsam, dass du ihm nicht begegnet bist.«
Blanche sah immer noch zur hohen Tafel hinüber, die Waffel in ihrer Linken anscheinend vergessen. »Er sieht ziemlich gut aus«, bemerkte sie beiläufig.
»Er sieht aus wie Edmund«, erwiderte Julian verwundert.
Sie schaute ihn an wie einen hoffnungslosen Fall. »Unsinn.«
Die Tudor-Brüder hatten beide die dunklen Augen ihres Vaters und das blonde Haar ihrer französischen Mutter geerbt, aber damit endete jede Ähnlichkeit. Edmund war lang aufgeschossen wie Julian. Die eher schmalen, geschwungenen Brauengaben seinem Gesicht einen ewig fragenden Ausdruck. Die Augen waren voller Schalk und immer in Bewegung, er lachte und redete gern und hatte das Herz meist auf der Zunge. Jasper war einen Kopf kleiner und breiter in den Schultern. Er wirkte nicht gedrungen, sondern kompakt. Auch seinen Augen schien nicht viel zu entgehen, aber ihr Blick war ruhiger.
»Die Augen eines Jägers«, murmelte Blanche.
»Was?«, fragte Julian verdattert.
»Oh, nichts.« Sie lächelte und knabberte an ihrer Waffel. »Es ist seltsam. Jasper kommt einem vor wie der Ältere, nicht Edmund.«
»Ja. Das stimmt«, räumte er ein. »Von uns dreien war er immer der Einzige mit einem Funken Vernunft. Aber ganz unter uns, Blanche, Jasper Tudor ist ein klein bisschen unheimlich.«
»Ach ja? Wieso?« Sie rückte näher, als hoffe sie auf eine saftige Skandalgeschichte. Julian wusste, seine Schwester liebte Skandalgeschichten. »Na ja, weißt du, er …«
»Julian, entschuldige die Störung, aber könnte ich dich deiner Tischdame einen Augenblick entführen? Wenn Ihr mir vergeben wollt, Madam?«
Julian erhob sich bereitwillig. »Blanche, dies ist Richard Neville, der Earl of Warwick. Richard: Meine Schwester Blanche.«
Warwick verneigte sich formvollendet. »Lady Blanche. Es ist mir eine große Freude, dass wir uns endlich kennen lernen, Cousine. Julian hat mir nie verraten, welch eine Schönheit seine Zwillingsschwester ist. Wenn man ihn anschaut, könnte man so etwas ja nicht ahnen …«
Blanche lachte. »Mylord, die Freude ist ganz auf meiner Seite. Und das meine ich
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