Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
»Der König ist schon wieder zusammengebrochen.«
»Schon wieder? Was soll das heißen?«
»Es geschieht immer häufiger«, antwortete sie. »Das letzte Mal ist höchstens zwei Wochen her. Er wird besinnungslos, wacht kurze Zeit später wieder auf und ist verwirrt. Es dauert Stunden, manchmal Tage, bis er sich wieder richtig erholt hat.«
Dicht hinter den beiden Tudors folgten deren Vater und ihr jüngster Bruder, Owen, der vor kurzem sein ewiges Gelübde abgelegt und ein Bruder der Abtei zu Westminster geworden war. Genau wie sein Vater war er bereits zur bevorstehenden Hochzeit angereist. Die beiden Männer eskortierten die Königin, die den Schleier ihrer Hörnerhaube vors Gesicht gezogen hatte und den Kopf tief gesenkt hielt.
»Arme Marguerite«, murmelte Blanche.
»Armes England«, entgegnete ihr Bruder. Es klang grimmig.
König Henry erholte sich glücklicherweise rasch von dem letzten seiner rätselhaften Anfälle, sodass die Hochzeit seiner jungen Cousine planmäßig stattfinden konnte. Viele Lords und Ritter und die zahllosen Schmarotzer, die vom Hof angezogen wurden wie Fliegen von einem Pferdeapfel, hatten die Gelegenheit gern genutzt, ihren Aufenthalt in Windsor um ein paar Tage zu verlängern. Während der König krank daniedergelegen hatte und sowohl die Königin als auch seine Halbbrüder kaum von seiner Seite gewichen waren, schmausten und tranken sie in seiner prunkvollen Halle, ließen sich von seinen Gauklern und Musikern vortrefflich unterhalten, ritten mit seinen Rössern zur Jagd auf sein Wild.
Drei Tage und Nächte hatte Julian dieses ungeheuerliche Treiben mit zunehmendem Zorn verfolgt. Er hatte sich bemüht, irgendetwas Sinnvolles zu tun: sich zu Edmunds Verfügung gehalten, der sehr um seinen königlichen Bruder besorgt war, oder zusammen mit Blanche Megan die Zeit und das bange Warten vertrieben. Doch er war sich überflüssig und unnütz vorgekommen.
So war er in vielerlei Hinsicht erleichtert, als es am Abend vor der Hochzeit hieß, dem König ginge es besser. Er verspürte indessen nach wie vor kein Bedürfnis, sich den Blutsaugern in der Halle anzuschließen. Also beschwatzte er eine der Küchenmägde, die ihm Brot, ein paar Scheiben Hirschbraten und einen kleinen Krug Wein brachte, und mit seiner Beute setzte er sich in den Garten im oberen Burghof. Er genoss es, sein Mahl allein in der Abendsonne unter den Obstbäumen einzunehmen, aber noch ehe es ganz vertilgt war, bekam er Gesellschaft.
»Julian!«, rief eine vertraute Stimme. »Und wir dachten schon, du hättest dich in Waringham vergraben.«
Julian hob den Kopf und sah den Earl of Warwick Arm in Arm mit seiner Gemahlin auf sich zukommen. Für einen Lidschlagverspürte er ein eigentümliches Kribbeln in der Magengrube, so als habe er eine Hand voll kleiner Ameisen verschluckt. Es war kein angenehmes Gefühl. Länger als zwei Jahre hatte er Anne Beauchamp, die Countess of Warwick, nicht gesehen. Es war eine niederschmetternde Erkenntnis, dass sie nichts von ihrer Wirkung auf ihn eingebüßt hatte.
Er erhob sich aus dem duftenden Gras und verneigte sich. »Lady Anne. Richard.«
Warwick legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter. »Wie geht es dir, Cousin? Wie bekommen dir deine neuen Pflichten?«
»Es ist nicht so unerträglich, wie ich gedacht hätte«, gestand Julian aufrichtig. Er schaute Warwick in die Augen, aber er wusste, er konnte es nicht ewig aufschieben, sie anzusehen. Mit einer bewussten Willensanstrengung zwang er sich dazu. »Was bringt Euch nach Windsor, Madam?«
»Oh, die unterschiedlichsten Beweggründe«, vertraute Lady Anne ihm mit einem verschwörerischen Lächeln an. »Die Politik. Neugier. Langeweile. Eine sentimentale Vorliebe für Hochzeiten. Im Übrigen ist Megan Beaufort meine Nichte. Entfernt, jedenfalls. Ich dachte, ich sollte bei ihrer skandalösen Eheschließung vielleicht anwesend sein, um dem armen Kind Trost zu spenden.«
Sie ließ ihn nicht aus den Augen. Derselbe Spott wie eh und je stand darin, verlieh ihrem vermeintlich warmen Braun ein grünliches Funkeln.
Julian ging auf ihre Spitze gegen Megan und Edmund nicht ein, ließ stattdessen einen kurzen, aber dennoch unverschämten Blick über ihren leicht gewölbten Bauch gleiten und sagte liebenswürdig: »Meinen Glückwunsch, Madam. Ihr müsst überglücklich sein, und ich wünsche Euch Gottes Segen und einen gesunden Sohn.«
Er wusste, wie sehr sie es hasste, schwanger zu sein. Dies war das erste Mal seit vier
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