Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
kein Recht, auf ihm herumzutrampeln, nur weil er noch so jung ist.«
Mit einem seligen Lächeln legte Rhys den Kopf an ihr Knie.
»Also schön«, grollte Jasper. Und dem Jungen befahl er: »Setz dich wenigstens auf einen Stuhl wie ein Gentleman und zeig ein bisschen Respekt vor den Damen.«
Trotzig, betont langsam stand Rhys aus dem Stroh auf und flegelte sich auf einen freien Stuhl neben Megan.
Ehe sein Bruder diesen kleinen Akt der Rebellion ahnden konnte, trat eine der Mägde ein und servierte das schlichte Nachtmahl, sodass die Anspannung im Raum verflog. Aber Blanche ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie erleichtert sein würde, wenn Jasper und Julian fort waren, obschon sie sie beide vermissen würde.
Bald nach dem Essen verabschiedeten sich die zwei Männer, um in der Halle mit Jaspers Rittern und seinem Steward ihren Aufbruch nach England zu besprechen. Blanche brachte Megan zu ihrer Kammer und half ihr, sich für die Nacht zurechtzumachen. Eigentlich hatte Megan für diese Dinge eine eigene Magd, doch hatte sie Blanche in einem schwachen Moment gestanden, dass sie sich von dem Bauernmädchen mit den grobschlächtigen Händen nicht gern anfassen ließ. Also war Blanche ihr beim Entkleiden behilflich, brachte sie zu Bett und vergewisserte sich, dass ein heißer Stein am Fußende lag. Es machte ihr überhaupt nichts aus, diese Dinge für Megan zu tun. Beinah war es, als bringe man eine Puppe zu Bett, und Blanche entwickelte eine behutsame Umsicht, die sie bislang nicht an sich gekannt hatte. Auch den jüngsten ihrer Stiefsöhne hatte sie nicht annähernd so liebevoll behandelt.
Sie blieb nicht wie sonst meist auf einen kleinen Schwatz,da Megan schon die Augen zufielen. Blanche wünschte ihrer Cousine eine gute Nacht, holte sich den Mantel aus ihrer Kammer und stieg auf das Dach des Turms hinauf. Das Wetter hatte sich gebessert. Es war immer noch kalt, aber der Schneeregen hatte aufgehört, und die steife Brise hatte den Himmel leergefegt. Ein glitzerndes Sternenzelt spannte sich über Pembroke Castle und das hügelige Umland und ließ die Schaumkronen der rastlosen See silbern funkeln.
Blanche stützte die Hände auf die Zinnen und schaute hinunter. Dann atmete sie tief durch. »Gott, manchmal will mir scheinen, dass die Krone deiner Schöpfung allerhand zu wünschen übrig lässt, aber das Meer und die Sterne sind dir wirklich hervorragend gelungen. Und Wales.«
Hinter ihr erhob sich ein verstohlenes Rascheln. »Er wird entzückt sein, dein Urteil zu hören.«
Blanche wandte den Kopf. »Jasper …«
»Tut mir leid, ich wollte dich nicht stören. Ich wusste nicht, dass du hier oben bist.«
Sie hatte das Gefühl, dass er sie anlog. »Und willst du mir etwa widersprechen in meinem Urteil über die göttliche Schöpfung?«
Er schüttelte den Kopf, stützte neben ihr die Unterarme auf die steinerne Bekränzung des Turms und schaute aufs Meer hinab, genau wie sie. »Was tust du hier?«
»Ich denke an meine Stiefsöhne.«
»Fehlen sie dir?«
»Kein bisschen. Das ist ja das Schlimme.«
»Du solltest einen Schlussstrich unter die ganze Geschichte ziehen«, riet Jasper. »Devereux ist ein widerwärtiger Hurensohn und hat nur bekommen, was er verdiente.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich habe dich gesehen.«
»Eine abgehackte Hand für ein blaues Auge? Also, ich weiß nicht, Jasper …«
»Ich meinte mehr das, was ich in deinem anderen Auge gesehen habe.«
»Nichts hast du gesehen!«, fuhr sie ihn plötzlich an. »Bilde dir ja nicht ein, zu wissen, wie es in mir aussieht. Das tust du nicht. Hast du verstanden?«
Er lehnte sich mit dem Rücken an die Brüstung, betrachtete Blanche einen Moment mit verschränkten Armen und nickte dann.
Blanche wünschte, sie könnte seine Züge besser erkennen. »Entschuldige, Jasper.« Sie seufzte. »Ich wollte nicht … Gott, ich hasse es, an Devereux zu denken oder über ihn zu reden. Aber ich habe davon angefangen, und du wolltest nur freundlich sein.«
»Welch denkwürdige Gelegenheit. Ich bin nicht gerade das, was man einen freundlichen Mann nennen könnte.«
»Nein, das ist mir aufgefallen. Eher so etwas wie ein Finsterling. Außer zu Megan und mir.«
»Es hat große Vorzüge, ein Finsterling zu sein.«
»Wirklich? Nenn mir einen einzigen.«
»Jeder überlegt es sich zweimal, ob er dich erzürnt, hintergeht oder demütigt.«
»Oder ins Herz schließt.«
»Richtig. Und auch das erspart einem allerhand.«
»Oh, ich verstehe. Und wenn doch
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