Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
einmal etwas aus dem Ruder läuft, zieht man ›einen Schlussstrich darunter‹, ja? Unter einen toten Bruder, zum Beispiel? Hauptsache, es ist alles unter Kontrolle.«
    Er richtete sich auf – so ruckartig, dass Blanche unwillkürlich einen Schritt zurückwich. Doch er verneigte sich lediglich vor ihr. »Zumindest heißt es, dass nicht ich derjenige sein werde, der heute Nacht wachliegt und wünscht, er könnte seine Worte zurücknehmen. Leb wohl, Blanche.« Er wandte sich ab, und im nächsten Moment war er durch die Tür zur Treppe verschwunden.
     
    Er hatte sich nicht getäuscht. Blanche wälzte sich die halbe Nacht in ihrem Bett hin und her, verfluchte Jasper Tudor und sich selbst und vor allem ihre lose Zunge. Es war lange nach Mitternacht, als sie endlich Schlaf fand.
    Beim ersten Tageslicht war sie wieder auf den Beinen, zog sich hastig an, fuhr sich mit dem Kamm durch die wirren Locken und ließ sie offen, um so schnell wie möglich in den Hof hinunterzukommen. Aber es war zu spät. Julian, Jasper und sein Gefolge waren schon fort.

Waringham, Dezember 1456
    Seit zwei Tagen und Nächten hatte es fast ohne Unterlass geschneit, und ganz Kent war unter einer weichen weißen Decke verschwunden, die so hoch lag, dass selbst vertrauteste Konturen unkenntlich waren.
    Julian hatte Mühe gehabt, nach Hause zu finden, und Dädalus hatte seinerseits Mühe, den Burghügel hinaufzukommen. Doch schließlich ritten sie über die Zugbrücke – freigefegt und mit Sand bestreut, wie Julian zufrieden feststellte.
    »Willkommen zu Hause, Mylord!«, riefen die Torwachen.
    Er nickte ihnen zu. »Piers. Tom. Frohe Weihnachten.«
    Im Innenhof saß er ab. Niemand kam herbeigeeilt, um sein Pferd zu versorgen. Damit hatte er auch kaum gerechnet. Es war bitterkalt und obendrein Weihnachten, niemand hielt sich draußen auf, den nicht Dienstpflicht oder dringende Besorgungen dazu zwangen. Julian nahm Dädalus am Zügel und führte ihn in den Stall. Das schlichte Holzgebäude war neu, etwas größer als das alte und genau nach seinen Anweisungen errichtet worden, sah er. Gut so.
    Im Innern des hell gekalkten Gebäudes traf er auf den kleinen Melvin, der mit der Hand Pferdeäpfel aufhob und in einen Eimer steckte.
    Julian schnalzte mit der Zunge. »Was treibst du denn da, Junge?«
    Melvin sah ihn mit großen Augen an. Furchtsam. »Emily hat gesagt, Pferdemist sammeln«, verteidigte er sich.
    Julian wusste, dass die Bauern oft mit Mist heizten, wenndas Holz knapp wurde. Und er wusste auch, dass sie keine so großen Stücke auf saubere Hände hielten wie Edelleute. Aber er glaubte nicht, dass Emily sich das so vorgestellt hatte. Er wies auf die kleine Sattelkammer. »Da drin findest du eine Schaufel. Nimm die zum Einsammeln, in Ordnung? Aber vorher wäschst du dir die Hände. Und bring mir Hafer für den Gaul.«
    Melvin stierte ihn wieder an. Sein Gesicht war seltsam ausdruckslos, der Mund leicht geöffnet. Julian erkannte, dass er ihn mit seinen Anweisungen überfordert hatte. Schwachsinnig , dachte er. Schwachsinnig, weil sein Vater sein Onkel war …
    Mit der vertrauten Mischung aus Mitgefühl und Gewissensbissen fuhr er dem Kleinen über den Schopf. »Wasch dir die Hände, ja?«
    Melvin nickte, steckte die Hände in den Wassereimer, der eigentlich zum Abwaschen der Trensen gedacht war, und wischte sie an seinem Hosenboden trocken. Dann machte er Anstalten, den nächsten Pferdeapfel mit den Fingern aufzuheben.
    »Halt, halt.« Julian musste lachen.
    Melvin sah ihn verdutzt an und lächelte unsicher.
    Julian seufzte verstohlen. »Pass auf, ich zeig’s dir.«
    Und so kam es, dass der Earl of Waringham die erste Viertelstunde nach seiner Heimkehr damit zubrachte, mit einer Schaufel Pferdemist zu sammeln. Schließlich überreichte er Melvin den gefüllten Eimer. »Hier. Und das nächste Mal machst du’s genauso, ja?«
    Melvin nickte, aber Julian hatte irgendwie wenig Hoffnung, dass der Kleine den guten Rat beherzigen würde. »Jetzt lauf.«
    Melvin war schon an der Tür, als Julian sich fragte, was der Junge hier oben überhaupt verloren hatte. Weder seine Geschwister noch seine Mutter arbeiteten mehr auf der Burg. »Halt, warte.«
    Melvin blieb folgsam stehen und wandte sich wieder um.
    »Wo willst du denn eigentlich hin mit deiner Ausbeute?«
    Melvin hob die Schultern. »Hause.« Es klang, als meinte er: Was fragst du so dämlich?
    Julian betrachtete ihn unsicher. Melvin war schmächtig füreinen Achtjährigen. Und der Schnee auf dem

Weitere Kostenlose Bücher