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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sie auch für ihn nicht mehr als ein Siegel, das einem Vertrag aufgedrückt worden war. Ihr seine Aufwartung zu machen und ein paar gute Wünsche auszusprechen, konnte nicht schaden.
    Die neue Herzogin von Schwaben, so stellte sich heraus, war in Gesellschaft ihres Gemahls, obwohl ihr eigene Gemächer gegeben worden waren, was entweder bedeutete, dass er es eilig hatte, einen Erben in die Welt zu setzen, oder, dass sich die beiden nicht auf den ersten Blick unsympathisch waren, vielleicht sogar Gefallen aneinander gefunden hatten. Sie saßen an einem Holzbrett, auf dem einige Figuren standen; ein Schachspiel, wie sich Walther dunkel erinnerte. Der alte Herzog von Österreich hatte eines besessen. Reinmar hatte einmal erzählt, dass er versucht habe, das Spiel zu lernen, nur, um es als eine tückische Qual aufzugeben, welche die Muslime der Welt auferlegt hatten. Offenbar waren die Brautleute nicht dieser Ansicht, denn Irene hielt gerade eine der Figuren in ihrer rechten Hand und setzte sie vorwärts, als Walther hereingelassen wurde.
    »Herr Walther«, sagte Philipp warnend, »wir sind Euch dankbar, doch dies ist nicht die Zeit, um von Geschäften zu reden.«
    »Wer könnte das in Gegenwart von solcher Schönheit?«, gab Walther zurück und verbeugte sich vor Irene. »Euer Gnaden, da Ihr nun am Ziel Eurer Reise angekommen seid, wollte ich Euch danken dafür, dass ich Euch auf dem Weg von Wien hierher begleiten durfte, und Euch Glück für die Zukunft wünschen.«
    In Schleier und Haube einer verheirateten Frau wirkte Irenes Gesicht jünger und heller, als es noch in Nürnberg der Fall gewesen war, und sie hatte Schatten unter den Augen, doch sie klang gelassen und nicht gedrückt, als sie erwiderte: »Niemand weiß, was die Zukunft bringt, doch auch ich hoffe auf Glück für uns alle.« Ihre Lippen kräuselten sich zu einem kleinen Lächeln. »Ich muss zugeben, dass ich von Euren neuen Liedern weniger verstanden habe als von denen, die Ihr auf der Reise gesungen habt, doch Eure Zuhörer schienen sehr viel zufriedener, als so mancher vorher gewirkt hat. Aber vergesst die Liebe nicht. Ich mochte Eure früheren Verse darüber durchaus.«
    Es war gleichzeitig ein Kompliment und eine Stichelei. Walther dachte, dass man die Fürstin aus Byzanz nicht unterschätzen durfte, nur weil sie manchmal wie ein verlorenes kleines Mädchen wirkte. Was sie sagte, brachte die Stunde zurück, in der er Lieder mit dem Leben verwechselt und geglaubt hatte, eine Frau damit zu erreichen, die ihn wegen Dingen verachtete, die er zugelassen, aber nicht selbst getan hatte. Trotz seines Entschlusses, nur mehr vorwärtszublicken, schmeckte er für einen Herzschlag lang Asche im Mund.
    »Nun, ich hoffe, auch meine neuen Lieder werden eines Tages Gefallen bei Euer Gnaden finden«, entgegnete Walther so unbekümmert wie möglich, »denn immer nur auf alten Stoff zurückzugreifen, hat noch nie einem Sänger wohlgetan. Wenn Ihr mir die Gelegenheit gebt, Euch zu überzeugen …«
    »Im nächsten Jahr vielleicht«, sagte Philipp freundlich, aber entschieden, und das überraschte Walther. Er musste wissen, dass Herzog Friedrich schon in den nächsten Tagen aufbrechen würde, konnte ahnen, dass Walther den Österreicher nicht auf seiner Kreuzfahrt begleiten wollte, und eigentlich hatte er nach seinem Erfolg damit gerechnet, dass Philipp ihm anbieten würde, eine Weile an seinem Hof zu bleiben. Offenbar gelang es Walther nicht rasch genug, das Gemisch aus Verwunderung und Enttäuschung in seiner Miene zu unterdrücken, denn der Herzog von Schwaben fuhr fort: »Es gibt Vögel, Herr Walther, die immer am gleichen Ort bleiben, doch die Singvögel gehören eigentlich nicht dazu, im Gegenteil: Man sieht sie immer am Himmel ziehen im Frühling und im Herbst, und dann kehren sie wieder mit all den neuen Liedern, die sie gelernt haben, während sie andere Menschen ihre eigenen lehrten. Einen solchen Vogel an einem einzigen Ort einzusperren, wäre geradezu eine Sünde wider Gott, findet Ihr nicht?«
    Mit anderen Worten: Der Bruder des Kaisers wollte, dass Walther das Seine für die Sache der Staufer an anderen Höfen tat, dort verköstigt wurde und vielleicht sogar mit Beobachtungen über die edlen Herren und ihre Zuverlässigkeit wiederkehrte, ohne seinerseits bisher mehr für Walther getan zu haben, als dessen Liedern Beifall zu klatschen. Bei Gott, was man in Österreich über den Geiz der Schwaben erzählt, stimmt voll und ganz, dachte Walther empört, doch ein

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