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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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das den Geschmack von verräterischen Träumen und denen seines eigenen Blutes hatte. »Etwas anderes würde mich wundern«, gab er zurück, »da Seine Gnaden ja von Nürnberg aus einen Boten an den Erzbischof schickte.« Einen Kaufmann, wollte er hinzufügen, einen grauhaarigen Pfeffersack, der offenbar nur mit den goldberingten Fingern zu winken braucht, damit sich ihm junge Ärztinnen an den Hals werfen. Aber er schluckte es hinunter. Es kümmerte ihn nicht mehr. Er hatte einen Saal voll der mächtigsten Männer des Heiligen Römischen Reiches dazu gebracht, zu tun, was er wollte, und er hatte es nicht durch Schmeichelei getan, sondern dadurch, ihnen ihre eigenen Gedanken vorzuhalten, auf eine Art, die sie zum Lachen brachte. Lachen kann eine Waffe sein, Judith, dachte er und ärgerte sich, weil er sich vorgenommen hatte, selbst in Gedanken diesen Namen nicht mehr zu wiederholen.
    »Gut, das zu wissen«, sagte Friedrich nachdenklich. »Ich dachte mir schon, dass unser Bischof versucht, zwei Kinder auf einem Knie zu schaukeln. Er will den Kreuzzug und den Kaiser im Heiligen Land, aber er will ihn nicht so sicher im Reich haben, dass er der Kirche jede beliebige Anweisung geben kann. Ich glaube, jedem Bischof sitzt noch im Nacken, wie der alte Kaiser seinen eigenen Papst hat aufstellen lassen. Seitdem versuchen sie, uns Fürsten kleiner zu halten. Nun, mich kümmert es nicht, aber vielleicht gibt er nun endlich wegen des Bistums für Wien nach, wenn ich ihn auf dem Weg ins Heilige Land an den Boten erinnere, und wie nachtragend der Kaiser auch sein kann.«
    »Euer Gnaden, ist auch Herr Reinmar mit Euch gekommen? Ich habe ihn bisher auf dem Hoftag nicht singen hören«, wechselte Walther das Thema. Er wusste nicht, ob er ein Ja oder ein Nein lieber hören wollte. Wenn er für sich selbst jenen Abend, als das Haus Salomons gestürmt wurde, aus dem Gedächtnis brannte, dann sollte er eigentlich auch bereit sein, dies für Reinmar gelten zu lassen, aber bisher blieben Verstand und Herz widerspenstig und flüsterten ihm immer noch vor, was Reinmar damals gesagt hatte. Andererseits waren ihm seine eigenen Worte vom gleichen Tag ebenfalls unvergessen, und sie galten noch immer. Reinmar würde verstehen, was Walther auf dem Hoftag geleistet hatte, wie es sonst kaum jemand konnte.
    »Tragt Ihr diesen Fehdehandschuh noch immer bei Euch?«, fragte Friedrich belustigt. »Nein, Herr Reinmar blieb in Wien, bei meinem Bruder. Eine Reise ins Heilige Land genügt ihm wohl, das kann ich ihm nicht verdenken. Für die Vorbereitung hatten meine Schreiber mir die Listen der Männer zusammengestellt, die mit meinem Vater bei Akkon waren, damit ich auf ihre Erfahrung zurückgreifen kann, aber es sind nur noch wenige am Leben. Wenn die Sarazenen sie nicht bekommen haben, dann sind sie an irgendwelchen Seuchen gestorben. Ein Jammer.« Ein wenig boshaft fügte er hinzu: »Auch Ihr scheint Euch nicht berufen zu fühlen, an meiner Seite im Heiligen Land zu dienen, Herr Walther?«
    »Ein jeder Mann soll tun, worin er am besten ist«, parierte Walther. »Ich wäre ein schlechter Kreuzritter, Euer Gnaden, und würde schon beim ersten Kampf gegen die Sarazenen fallen. Aber ich bin ein guter Sänger.«
    Friedrich klopfte ihm wohlwollend auf die Schultern. »Das seid Ihr. Wenn ich mich vermähle, dann werdet Ihr die Zier der Feier sein, nur tut mir dann den Gefallen und besingt die Braut mehr als die zweifelhaften Absichten der Gäste. Ich habe sonst nichts auf dem Hoftag von Euch gehört. Man könnte meinen, Ihr hättet dem Dienst an der holden Weiblichkeit abgeschworen.«
    »Keineswegs, Euer Gnaden«, sagte Walther mit einem breiten Lächeln ohne jede Belustigung.
    Der Herzog plauderte noch ein wenig, hauptsächlich über seine Hoffnung, am dritten Turniertag einen würdigen Gegner zu finden, selbst wenn es der prahlerische Dietrich von Meißen sein sollte, der sich für Gottes Geschenk an die Ritterschaft zu halten schien. Danach zog er sich für die Nacht zurück.
    In einem, dachte Walther, hat Friedrich recht: Die Braut ist während der Feierlichkeiten völlig in den Hintergrund geraten. Es war wohl nichts anderes zu erwarten gewesen. Walther bereute keineswegs, die Gelegenheit beim Schopf ergriffen zu haben, statt Minnelieder zu singen. Das hatten bereits genügend andere Sänger getan, über deren Werke aber bei weitem nicht so gesprochen wurde. Aber Irene war freundlich zu ihm gewesen auf der Reise, und sie musste sich jetzt fühlen, als sei

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