Das Spiel der Nachtigall
ihn ziehn auf seiner Bahn.
Leicht ist es von dort dann nicht mehr nach Haus, um Euer Tun zu hemmen,
Und bleibt er dort, was Gott nicht geb, werden nur seine Freunde laut flennen!
Bis er geendet hatte, war fast jedes andere Gespräch im Saal verstummt. So etwas hatte Dietrich noch nie gehört. Die Unverschämtheit nahm ihm den Atem; gleichzeitig gluckste und zuckte etwas in ihm und wollte sich auf die Schenkel schlagen. Stimmte es etwa nicht? Eigentlich wollte doch jeder den Kaiser endlich im Heiligen Land wissen, weit, weit weg vom Reich. Hermann hatte selbst gesagt, dass es mit Philipp als Regenten so viel einfacher war zu erreichen, was man haben wollte. Vielleicht waren sie die ganze Angelegenheit falsch angegangen. Solange er noch im Königreich Sizilien weilte, so lange konnte der Kaiser über die Alpen kommen, wenn man ihm nicht seinen Willen tat, vor allem jetzt im Frühling, und selbst für die ihm genehme Wahl sorgen, was eine ganze Menge Leute ihr Lehen kosten konnte. Dietrich gab gerne zu, dass Hermann ein klügerer Mann war als er selbst, doch während er dem Sänger bei den weiteren Strophen lauschte, schien es ihm mehr und mehr, dass der Landgraf einen Fehler machte, wenn er dem Kaiserbalg die Wahl und den Treueid vorenthielt. Beides leisten, den Kaiser endlich übers Meer schicken und dann die angemessenen Forderungen stellen können, so musste man es machen.
Neugierig schaute er in die Runde. Ob einfacher Ritter, Graf oder Fürst, sie starrten alle auf den Sänger, und man konnte ihre Schultern zucken sehen. Da wusste Dietrich, dass er nicht der Einzige war, der auf den Tisch schlagen und laut heraus lachen wollte. Zum Teufel auch, sie waren alle Männer, oder nicht? Mussten sie wirklich so tun, als hätte das Sängerlein dort nicht genau das ausgesprochen, was jeder dachte?
Gerade versuchte er mit letzter Anstrengung, sein Grinsen zu unterdrücken, da erlebte er einen gewaltigen Schreck. Ein, zwei, drei knallende Laute donnerten direkt neben seinem Ohr in die Luft, bis er verstand, dass es Hermann war, der in die Hände schlug, viermal, fünfmal, und den Kopf zurückwarf und lachte. Erleichtert stimmte Dietrich mit ein. Danach war im Saal kein Halten mehr. Kein Stall voller Pferde, Schafe und Kühe wieherte, blökte und brüllte mit solcher Hemmungslosigkeit und Vergnügen. Es war so laut, dass Dietrich beinahe überhört hätte, was sein Schwiegervater murmelte, als er sich wieder beruhigte. »Oh, der ist gut. Den muss ich haben.«
* * *
Als Walther dem inzwischen eingetroffenen Friedrich von Österreich seine Aufwartung unter vier Augen machte, war die Hochzeit Philipps von Schwaben mit Irene von Byzanz mit Glanz und Gloria begangen worden. Friedrich war in aufgeräumter Stimmung; wie es schien, hatte der Kaiser ihn wissen lassen, dass er sein Stellvertreter werden sollte, wenn er im Heiligen Land eintraf, eine Ehre, welche die letzten Schatten des Vorkommnisses von Akkon verscheuchen sollte. Walther fragte sich unwillkürlich, ob dem Kaiser bewusst war, dass es sich bei Friedrich um einen Halbbruder handelte, doch er war zu erfüllt von allem, was in den letzten Tagen passiert war, um sich ernsthaft darüber Gedanken zu machen.
»Der Eid ist nun von allen angereisten Fürsten geleistet worden«, sagte Friedrich. »Meiner Treu, Herr Walther, das waren ein paar starke Worte, die Ihr da in Verse gekleidet habt. Die Hälfte der edlen Herren, denen ich hier in Frankfurt begegnet bin, findet, ich sollte Euch hängen lassen, doch die andere fragt mich, wie lange ich schon Euer Gönner bin und ob ich gedenke, Euch auf den Kreuzzug mitzunehmen, weil Ihr in meiner Abwesenheit auf ihren Höfen besser aufgehoben wärt.«
»Aber auf den Sohn des Kaisers geschworen haben sie«, sagte Walther, und sein Ton machte es zu einer Feststellung, nicht zu einer Frage, obwohl er natürlich nicht bei der vertraulichen Versammlung in Philipps Gemächern dabei gewesen war.
»Bis auf den Erzbischof von Köln. Der kommt, wie man hört, von seinem Stuhl nicht mehr herunter vor lauter Durchfall, aber warum ihn das daran hindert, einen Vertrauten zu schicken, der für ihn seine Stimme abgibt, hat er natürlich nicht erklärt. Wisst Ihr, Bischof Wolfger kam mir gar nicht überrascht vor«, bemerkte Friedrich; auch er machte damit eine Feststellung, obwohl er in Wirklichkeit eine Frage formulierte.
Bisher war Walther von der Woge seines Erfolges getragen worden, doch nun musste er ein Stück Wissen aus seinem Kopf holen,
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