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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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dafür gewesen, warum er die Einladung des Landgrafen von Thüringen angenommen hatte. Doch Walther musste zugeben, dass er bereits des Öfteren über die Vorzüge nachgedacht hatte, mit einer Frau ins Bett zu gehen, die keine Ansprüche an ihn stellen konnte, aber auch kein Herz hatte, das dafür gebrochen werden musste. Hinzu kam der Anreiz, eine Frau zu verführen, die ihres Standes wegen schwer zu erringen war. Die Tochter des Landgrafen und nunmehrige Ehefrau Herrn Dietrichs von Meißen stellte sich als geradezu ideal heraus. Dass ihr Name ausgerechnet Jutta lautete, war für Walther eine auf widersinnige Weise störende Kleinigkeit, obwohl die Markgräfin sonst keinerlei Ähnlichkeiten mit einer ihm bekannten Ärztin bot und er sie in jedem Fall hinreißend gefunden hätte. Ihr Haar war blond, die Augen blau, und sie war ein vollendetes Beispiel für begehrenswerte weibliche Üppigkeit; sie war drall, wo das sein sollte, und schwungvoll wie eine Fiedel geformt, wo es bei einer reizvollen Frau die Figur erforderte.
    Sie war von ihrem Vater, wie alle adeligen Frauen, ungefragt verheiratet worden, um sein Bündnis mit Dietrich zu besiegeln, und klüger als ihr Gemahl, der davon nichts wissen wollte. Er hatte sie ausgelacht, als sie ihm anbot, gemeinsam mit ihm etwas aufzubauen. Ihrem Ärger hatte sie mit einer Bemerkung vor anderen Edlen Luft gemacht, ihr Gatte sei des Nichtlesens und des Nichtschreibens mächtig, was zu Ohrfeigen und mehr geführt hatte. Jetzt verabscheute sie ihn und machte ihm, wann immer es sein musste, klar, nicht mehr von ihm besprungen werden zu wollen; dafür würde sich jede Magd besser eignen. Ihr Vater war Jutta in dieser Angelegenheit keine Hilfe gewesen, obwohl sie und Dietrich immer noch mit ihrer Stiefmutter auf der Wartburg in Thüringen lebten: Der Landgraf Hermann war sofort nach der Hochzeit ins Heilige Land aufgebrochen, um sich an des Kaisers Kreuzzug zu beteiligen, und hatte Dietrich als Stellvertreter und Verwalter seiner Länder zurückgelassen.
    Kurzum, die Markgräfin von Meißen war für jede Ablenkung dankbar, und wenn es eine war, bei der sie sich an ihrem Gemahl für seine schlechte Behandlung rächen konnte, dann freute sie das umso mehr. Der Meißner war ein grober Dummkopf, der sie nicht verdient hatte, und Walther rechnete nicht damit, dass Dietrich lange in der Kemenate und er auf dem kalten Boden unter dem riesigen Eichenholzbett bleiben würde. Deswegen überraschte es ihn sehr unangenehm, als er den Markgrafen poltern hörte: »Weib, bleib, wo du bist, es gibt was zu feiern.«
    »Aber es geht mir nicht gut«, protestierte Jutta, denn unter Kopfschmerzen zu leiden, war der den Mägden genannte Grund, warum sie am Nachmittag in ihrem Bett lag.
    »Dafür geht es mir umso besser«, sagte Dietrich genüsslich. »Dein Vater hat Nachricht aus dem Heiligen Land geschickt. Er ist auf dem Rückweg. Jetzt, wo der Kaiser tot ist, hat er Philipp bei den Eiern! Meißen ist endlich wieder mein. Und das ist erst der Anfang. Wer weiß, was sich noch alles aus dem kleinen Weichling herausschlagen lässt? Ich habe ihn in Frankfurt gesehen, und ich kann dir versichern, an dem ist wirklich ein Mönch verlorengegangen. Weiche Finger, wie ein Weib.«
    »Und doch bist du aus Frankfurt ohne deine Markgrafschaft zurückgekehrt, mein Gemahl«, erwiderte Jutta honigsüß. Etwas klirrte: Dietrichs Gürtel, der auf den Boden fiel.
    »Da ging es nur darum, auf den richtigen Moment zu warten. Bei Gott, nun brechen andere Zeiten an! Wenn ich es recht bedenke, dann gibt es eigentlich keinen Grund, warum Philipp für das kleine Balg als Regent agieren soll. Warum nicht ein Rat der wichtigsten Fürsten im Land? Dein Vater könnte dabei sein, und nach ihm ich, meine Teure.« Mit einem dumpfen Ruck senkte sich sein nicht unerhebliches Gewicht auf das Bett.
    »Ich glaube nicht, dass der Herzog von Schwaben für seinen Neffen regieren wird«, sagte Jutta kühl. »Er kennt die Bibel so gut wie jeder andere Christ. Wehe dir, Land, des König ein Kind ist und des Fürsten frühe essen! Er wird sich selbst auf den Thron setzen und als neuer König und Kaiser diejenigen bestrafen, die zu gierig versucht haben, seine Notlage auszunützen, und vergaßen, dass ihre Lehen noch Reichslehen sind, kein Erblehen.«
    »Unsinn! Er hat den Treueid so gut wie jeder andere geschworen, und seinen eigenen Neffen kann er nun schlechterdings nicht übergehen. Was versteht ein Weib schon von solchen Dingen? Komm her, ich

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