Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
Weinbecher. »Heilige gibt es nicht mehr in unseren Tagen. Nicht in Schwaben, und erst recht nicht bei uns in Thüringen. Und wenn es sie gäbe, so würden sie mir nur bestätigen, dass die Ehe mit einem Dummkopf mein gottgegebenes Los sei. Sagt mir noch einmal, dass ich schön bin, Walther. Ich brauche etwas, an das ich glauben und mit dem ich mich trösten kann, wenn ich allein bin.«
    »Euer Haar ist wie ein Nebelhauch, der einen Berg umschmeichelt; Eure Lippen der Eingang für himmlische Versprechen; der Rücken wie eine Landschaft, die zum ewigen Verweilen einlädt; der Hintern macht aus zwei vollkommenen Hälften ein wundervolles Ganzes; die Brüste – so groß, dass meine beiden Hände kaum reichen – streben zu den Sternen, nicht zur Erde, und wetteifern mit den schönsten Früchten aus dem Paradies; und Eure wohlgeformten Beine, mit herrlichen weichen Schenkeln und einer unglaublich zarten Haut, weisen mir den Eingang dorthin.«
    Das Blut stieg ihrem Hals entlang in ihr Gesicht. Walther musste daran denken, wie sie nach einem seiner Minnelieder, mit dem er ihr die einsamen Stunden vertrieb, als sie noch nicht mehr als eine Gönnerin gewesen war, geflüstert hatte, sie wisse nicht, warum manche ihrer Mägde vor Lust schrien und andere sich bekreuzigten, und er ihr angeboten hatte, das ausführlich erklären zu wollen.
    »Hört auf, Herr Walther. Ich bin, wie ich bin, nicht wie Ihr mich sehen wollt.«
    »Ihr seid ein wundervoll geschaffenes Weib«, antwortete er wahrheitsgemäß und setzte sich neben sie, um ihr über das Haar zu streichen, »und ich bin ein Glückspilz.«
    Sie entzog sich ihm. »Anmaßend ist es, was Ihr seid«, sagte sie mit einer Spur von Hochmut. »Ich bin nicht für Euch geschaffen.«
    Weil er sie nicht liebte, konnte er sehen, was in ihr vorging. Sie war machtlos in ihrer Ehe. Ganz gleich, was sie über ihren Gatten dachte, ganz gleich, wie hoch sie selbst geboren war, sie musste Dietrich gehorchen und ihm zur Verfügung stehen wie die einfachste Stallmagd, wenn es ihm gefiel; daran würde sich nie etwas ändern, für den Rest ihres Lebens nicht. Da musste es guttun, anderswo die Mächtige zu spielen. Er wäre deshalb auch bereit gewesen, ihr – wie allen Frauen, die es hören wollten – zuzugestehen, dass es immer nur eine Siegerin im Bett gab und einen Besiegten, selbst wenn alle Männer das Gegenteil beschwören würden. Aber das war in diesem Moment bestimmt kein Trost für sie.
    »Das ist die Wintersonne auch nicht«, sagte er stattdessen leichthin, »und es freut mich trotzdem, wenn sie durch die Kälte dringt und mich durch ihre Strahlen etwas erwärmt, ehe sie weiterwandert.«
    Ihre Mundwinkel zuckten. »Sehr viel weiter wohl nicht, nur bis nach Meißen, doch es ist hübsch gesagt. Ein wenig werde ich Euch wohl vermissen. Vielleicht sogar mehr als ein wenig, denn Ihr habt etwas in mir geweckt, was ich bisher nicht kannte. Sagt mir, mein Ritter der hübschen Worte, werdet Ihr hier die Ankunft meines Vaters abwarten, oder wohin werdet Ihr als Nächstes gehen? Und«, es fiel ihr erkennbar schwer, die Frage auszusprechen, »führt Euer Weg wieder nach hier zurück?«
    Zu bleiben war eine Möglichkeit, vor allem, weil der Winter ins Haus stand und es sich bei Schnee und Eis immer schlecht reiste. Zurückkommen, das ganz bestimmt … irgendwann. Aber das unheilbare Fieber Neugier hatte ihn ergriffen. Ihr Gatte war nicht der Einzige, der nach des Kaisers Tod mehr Möglichkeiten in der Welt sah. Das Letzte, was Walther von Herzog Philipp gehört hatte, war, dass er im September nach Italien aufgebrochen war, um seinen Neffen zu holen, damit dieser in Aachen gekrönt werden konnte. Ob er nun mit oder ohne den Jungen zurückkehrte, ob er sich oder seinem Neffen die Krone aufsetzen wollte, er würde erneut einen Haufen Fürsten überzeugen müssen, ihm Gefolgschaft zu leisten, und das ohne den drohenden Schatten seines Bruders. Diesmal, dachte Walther, wird es dazu bestimmt mehr als ein spöttisches Lied brauchen. Es juckte ihn in den Fingern, sein Glück erneut zu versuchen.
    »Ich glaube, ich werde nach Süden ziehen.«
    * * *
    Es hatte ganz und gar nicht in Judiths Absicht gelegen, Köln zu verlassen. Aber als Stefans Gemahlin auf die Ankündigung hin, ihr Gatte leide an Masern und müsse umgehend zum Schutze der Kinder und seiner Mitbürger zu einem kleinen Einsiedelhof gebracht werden, spitz bemerkt hatte, dass Stefan der Pflege seiner eigenen Ärztin bedürfe, da war es unmöglich

Weitere Kostenlose Bücher