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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Hintergedanken.
    »Bis auf diesen Gilles scheint es in deiner Geschichte niemanden zu geben, der die Hilfe einer Ärztin braucht«, entgegnete sie, »und er wird sich bald wieder von den Anstrengungen der Reise erholt haben.«
    Er wechselte erneut die Sprache; diesmal fiel er in das Hebräische, was es ihr schwermachte, da sie es nur als Gebetssprache beherrschte. »Wenn ich vorgebe, um des Handels willen zu reisen, dann müsste ich mir Zeit lassen mit der Vorbereitung, und das kann ich nicht. Alle, auch der Erzbischof selbst, müssen glauben, dass ich einen Grund habe, um sofort aufzubrechen, der später nichts mit dem Tod des Kaisers zu tun hat. Wenn ich krank werde, sehr krank, dann brauche ich vor allem noch einen guten Grund, um nicht in Köln zu bleiben. Kennst du einen, Judith?«
    Als sie sich durch die vielen Silben der Sprache ihrer Vorfahren gearbeitet hatte, schüttelte sie den Kopf und kehrte zu der Volgare zurück. Ihre Tante hob spöttisch eine Augenbraue, dann senkte sie den Kopf wieder und stickte weiter. Stefans Gemahlin war stets höflich zu Judith, doch manchmal vermutete sie, dass sich hinter der stets gelassenen Zuvorkommenheit Feindseligkeit verbarg. Es war nichts, worauf sie ihren Finger legen konnte, nur hin und wieder ein Tonfall oder ein Blick. Oder das Bestehen auf Schweinebraten an den Samstagen.
    »Onkel, man soll niemals eine List zweimal verwenden. Wenn ich dir Durchfall beschere, dann weiß der Erzbischof sofort, dass dir nichts mangelt, ganz abgesehen davon, dass es äußerst unangenehm ist, mit einem leeren Bauch zu reisen.«
    »Nun, ich bin davon ausgegangen, dass eine der Frauen aus Salerno mehr als einen Weg weiß, um Krankheiten zu schaffen«, sagte er mit einem Augenzwinkern, doch der Scherz und die Schmeichelei machten ihr keine Freude. Im Gegenteil, sie entdeckte, dass sich allmählich Ärger in ihr entfaltete.
    »Ich schaffe niemandem Krankheiten«, sagte sie mit Nachdruck. »Ich heile sie. Das habe ich mit einem heiligen Eid geschworen, Onkel, und es ist mir mehr als ernst damit.«
    Er beeilte sich, ihr zu versichern, dass er verstünde, und sie versuchte, nicht daran zu denken, wie sie im Geiste die vielen Möglichkeiten durchgegangen war, mit denen sie einen Menschen töten konnte. Oder wie sie es ausgerechnet einem Mann gestanden hatte, dem sie nie vertrauen konnte noch sollte. Vor allem wollte sie nicht daran denken, dass sie sich für kurze Zeit in seinen Armen lebendig und frei gefühlt hatte.
    »Es ist möglich«, sagte Judith zögernd, »den Anschein von Krankheit zu erwecken. Wenn die Menschen hier glauben, dass du die Masern hast, dann wird jeder verstehen, wenn du umgehend die Stadt verlässt und nicht zurückkehrst, bis du gesund bist. Mehr noch, sie werden dich dafür segnen.« Mit den Masern war nicht zu spaßen, vor allem, wenn man wie Stefan einen zwölfjährigen Sohn und sonst keine weiteren männlichen Kinder hatte. Manche Familien waren von der Krankheit ausgerottet worden, und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, wirkte Stefan unsicher, als er fragte, was denn getan werden müsse, um die Masern vorzutäuschen.
    »Als wir im Frühling von Nürnberg nach Köln gereist sind, ist mir aufgefallen, dass dich Beifuß zum Niesen bringt«, sagte Judith, »und deiner Haut einen Ausschlag gibt, wenn es dir zu nahe kommt. In den Kräutergärten für das Spital gibt es mehr als genug davon. Außerdem kann ich dir mit etwas Krapp noch ein paar mehr Flecken auf die Haut malen. Wenn ich dann noch erkläre, dass du die Masern hast, wird man dir glauben.«
    »Aber es sind nicht wirklich …«
    »Nein, es sind nicht die Masern, und es wird dir wieder gutgehen, wenn du erst einen Tag von Köln entfernt bist.«
    »Du bist eine Perle unter den Frauen«, sagte Stefan, nur sagte er es leider auf Deutsch. Seine Gemahlin schaute erneut auf; diesmal glich ihr Gesichtsausdruck einem Eiszapfen.
    * * *
    Es gab für einen Mann, der davon lebte, die Gunst reicher Männer zu gewinnen, wahrlich kaum etwas, das weniger dazu geeignet war, als mit der Gattin eines solchen Gönners Ehebruch zu begehen. Das war keine neue Erkenntnis, doch es war eine, die Walther durch den Kopf schoss, als er Beinlinge, Unter- und Oberkleid zusammenraffte und unter das große Bett flüchtete, um nicht vom Markgrafen von Meißen entdeckt zu werden, der eigentlich erst am späten Abend von der Jagd zurückerwartet wurde.
    Eine Liebelei mit einer verheirateten Frau zu beginnen, war natürlich nicht der Grund

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