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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Erleichterung für den Handel von Köln bedeuten würde, war ihr sofort klar.
    Judith begann, sich das Öl in dem Wassereimer von den Händen zu waschen, den sie sich vom Hof hatte bringen lassen. Es half ihr dabei, ihren Gedanken Formen zu geben, was ihr bei ihren Gefühlen nicht gelang. »So viel zum Besten des Reiches«, sagte sie und zuckte zusammen, als sie den Klang ihrer eigenen Stimme hörte, die mit einem Mal dünn und brüchig war.
    »Handel ist gut für das Reich«, gab ihr Onkel zurück. »Weit mehr als Kreuzzüge oder Versuche, Byzanz zu erobern.«
    Damit hatte er natürlich recht, aber worauf es im Grunde doch hinauslief, war, dass er die Krone für denjenigen Fürsten haben wollte, der den für ihn und seine Genossen günstigsten Preis zahlen konnte. Das und nichts anderes war es, was ihn für den Welfen einnahm. Wenn Philipp ihm Zollfreiheit für England und all seine französischen Provinzen hätte zusichern können, dann wäre er jetzt nach Italien unterwegs, um den Herzog von Schwaben höchstpersönlich aus Montefiascone zu retten, dachte Judith traurig.
    War es Enttäuschung, die sie fühlte? Es gab keinen Grund dafür. Ihr Onkel tat nur, was die meisten Menschen taten: Er versuchte, Gewinne für sich und die Seinen herauszuschlagen, auch wenn sein Volk dabei keine Rolle spielte. Andererseits: Ging es allen gut, hatten alle etwas davon, auch die Juden. Es war ja nicht so, dass Judith kein Entgelt erwartete, wenn sie Menschen heilte. Und hatte sie Irene nicht verlassen, weil es für sie das Beste war, obwohl es Gründe gegeben hätte, bei dem Mädchen zu bleiben? Es war unsinnig, ausgerechnet von ihrem Onkel zu erwarten, dass er der Held aus alten Geschichten sein würde, oder gar Samuel, der einen neuen König für Israel fand, weil Saul seinen Pakt mit Gott gebrochen hatte.
    »Und du glaubst, dass der König von England dir gewähren wird, was du verlangst?«
    »Wenn es uns gelingt, seinen Neffen wählen zu lassen.« Stefan stemmte sich erneut von dem Strohbett hoch, auf dem er gelegen hatte, kniete neben ihr nieder und erfasste ihre Hände. »Dann, Judith, dann werden ein paar Kaufleute von Köln die Welt verändert haben … nicht zuletzt dank deiner Hilfe.«
    Es war das erste Mal, dass er ihren alten Namen gebrauchte. Er meinte es gut, als Dank und vielleicht auch, um ihr ein wenig den Kopf zu verdrehen, damit er ihres Schweigens noch ein Stück sicherer sein konnte. Aber eine Stimme in ihrem Kopf, eine widerspenstige Stimme, die auch bei zu sehr von den Nonnen angepriesenen Heilmitteln immer wissen wollte, woraus genau sie gemacht waren, diese Stimme ließ sich nicht unterdrücken und fragte: Und wenn der König, dem ihr auf den Thron verhelft, kein guter König wird, was dann?

Kapitel 16
    W enn es etwas gab, das selbst seine schlimmsten Feinde dem Herzog Berthold von Zähringen nicht vorgeworfen hätten, dann, dass er sein Licht unter den Scheffel stellte. Er hatte auch keinen Grund dazu. Als sein Vater starb, hatte der burgundische Adel versucht, sich alte Gebiete zurückzuholen, doch Berthold hatte sie besiegt. Die Silberbergwerke im Schwarzwald, die ihm gehörten, sicherten seinen Reichtum. Er hatte neue Städte wie Bern gegründet und den schmalen Gotthard-Pfad nach Mailand auch für Tiere und leichte Wagen begehbar machen lassen. Es wurde ihm nicht als Feigheit oder Gottlosigkeit vorgeworfen, dass er nicht, wie so viele Fürsten, das Kreuz genommen hatte. Ja, er hatte alle Gründe, mit sich und seinem Leben zufrieden zu sein, und für seine Vorbereitungen eines glanzvollen Weihnachtsfestes in Freiburg scheute sein Haushofmeister keine Kosten. Neben den üblichen Gauklern und Spielleuten lud der Herzog auch Sänger wie Gottfried von Straßburg und jenen Walther von der Vogelweide ein, der im letzten Jahr mehr und mehr von sich reden gemacht hatte. Als nicht nur einer, sondern alle beide gegen Ende November in Freiburg eintrafen, nahm er das für nicht mehr als das, was ihm zustand.
    Was die Botschaft des Erzbischofs von Köln in ihm auslöste, traf ihn daher umso überraschender. Er war bestürzt, und er zweifelte.
    »Edler Herzog«, hatte der Domherr schwungvoll erklärt, »das Reich braucht Euch.« Von da an ging es bergab mit Bertholds Laune. Er hatte zuerst geargwöhnt, dass Erzbischof Adolf schlicht und einfach um Geld verlegen war und eine Leihgabe des Schwarzwälder Silbers haben wollte; man munkelte im ganzen Rheinland, wie hoch der Erzbischof von Köln wegen seines geplanten

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