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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Ausrüstung.«
    »Das versteht sich«, sagte ihr Onkel mit einem Lächeln, »und ich bin dir dankbar für die Geschwindigkeit, mein Freund. Du hast mich nicht geizig bei dem Lohn für deine Leistung gefunden, und wenn auch diese Reise glückt, dann wirst du die gleiche Summe noch einmal erhalten.« Zu Judith gewandt, fügte er hinzu: »Der König von England wird also eine Gesandtschaft schicken müssen, die für seinen Neffen spricht, aber dazu muss man ihn erst einladen, und der Erzbischof, dessen Aufgabe das eigentlich wäre, hat, nun … noch andere Möglichkeiten im Kopf. Wenn die englische Gesandtschaft erst in Köln ist, wird er seine Meinung ändern, da bin ich mir sicher. Solange es kein Staufer ist, wird ihm jeder König recht sein.«
    Judith beließ die Angelegenheit fürs Erste auf sich, doch als sie am Abend in einem Gasthaus abstiegen, wo Stefan sie als seine Ehefrau ausgab, damit sie einen Raum erhielten, sagte sie: »Dem Erzbischof mag jeder recht sein, solange es kein Staufer ist, aber dir und deinen Freunden nicht. Ich habe immer noch nichts von dir gehört, das mir erklärt, warum euch so wichtig ist, einen Welfen auf den Thron zu heben. Ich weiß, dass Köln und England Handelsfreunde sind, aber dafür brauchst du Richard keinen Thron für seinen Neffen anzubieten.«
    Er schwieg, während sie ihm ein Heilöl ins Gesicht massierte, um die Folgen des Beifußes abzumildern, und erklärte schließlich: »Wenn die Fürsten sich auf einen Mann einigen sollen, der kein Staufer ist, dann ist die Auswahl nicht so groß, wie man meinen möchte, Nichte, nicht nur, weil nur wenige von ihnen hier sind. Jeder der großen Herzöge wird dem anderen den Vorzug missgönnen und sich selbst ins Spiel bringen wollen, vor allem, wenn sie noch Fehden gegeneinander führen. Aber der Name der Welfen hat Glanz – und weil die drei Söhne des alten Löwen nicht in unseren Landen aufgewachsen sind, kennt man sie kaum. Sie haben niemanden verärgert, niemandem etwas weggenommen, dafür umstrahlt sie der Ruhm ihres Vaters und ihres Onkels. Jeder, der wählt, weiß auch, dass ein Welfe einen der mächtigsten Herrscher als Verbündeten mitbringt. Das wird viele Fürsten überzeugen.«
    »Gerhard Unmaze mag der reichste Kaufmann von Köln sein, vielleicht sogar im ganzen Reich, aber er ist kein Fürst – und du auch nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Münzmeister Constantin so bezaubert vom alten Glanz des Welfennamens ist, dass er deswegen den Grimm des Erzbischofs riskiert, aber das tut ihr doch mit dieser Einladung. Was also hat dich überzeugt?«
    »Du bist deines Vaters Tochter«, sagte er und nieste noch einmal. Seine Augen waren mittlerweile weniger geschwollen als noch am Morgen, nachdem sie ihn eine Nacht mit Beifuß unter dem Kissen hatte schlafen lassen, doch es war auf seinen eigenen Wunsch geschehen, also unterdrückte sie den Anflug von schlechtem Gewissen und Mitleid. »Der musste auch immer den Dingen auf den Grund gehen.«
    »Ich wusste nicht, dass du meinen Vater gut genug kanntest, um das zu wissen«, sagte sie mit einer Spur Schärfe, weil sie spürte, dass er ablenken wollte.
    Stefan setzte sich auf, verschränkte die Arme und musterte sie. »Wenn ich dir sage, was mich überzeugte, dann wirst du auch das als ärztliches Geheimnis behandeln müssen, obwohl es nichts mit Krankheit zu tun hat.«
    »Onkel, du solltest endlich eine Entscheidung treffen. Entweder du vertraust mir, oder du vertraust mir nicht und versuchst weiterhin, mich als unwissendes Werkzeug zu benutzen. Doch wenn du dich für den zweiten Weg entscheidest, dann gibst du mir auch keinen Grund, das, was ich mir selbst denke, nicht in alle Winde zu schreien«, behauptete sie gereizt. Nicht, dass sie es wirklich vorhatte. Wem sollte sie schon die Geheimnisse eines Kölner Kaufmanns erzählen?
    »Zollgebühren«, sagte Stefan abrupt. »Denke daran, Gerhard ist unser Zollmeister. Wir werden König Richard einen Handel anbieten: Wenn wir seinen Neffen zum König machen, erlässt er allen Handelsgütern aus Köln den Zoll in England, Aquitanien, dem Poitou, der Bretagne und in der Normandie.«
    Sie dachte an den Zoll, den sie und ihr Vater hatten zahlen müssen, als sie von Köln nach Salerno reisten und dabei durch zahllose Baronien, Grafschaften, Herzogtümer, freie Reichsstädte kamen, und das, obwohl sie keine Waren mit sich führten, sondern nur ihre wenigen Besitztümer, hauptsächlich Bücher. Der ungeheure Gewinn, den diese

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