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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Fähigkeiten als andere Herzöge.
    Wenn Friedrich seine Krankheit überlebt und nach Wien heimkehrt, dachte Walther, dann kann es sich vielleicht lohnen, ebenfalls dortzubleiben. Eine Weile jedenfalls. Wien ist weit entfernt von Köln, ganz anders als Hagenau.
    * * *
    Es war nicht schwer, Richildis und den Salzhändler zu überzeugen, dass sie zum Besten ihres Kindes eine Ärztin im Haus brauchten, vor allem in den letzten Schwangerschaftswochen. Schwerer war es, eine Möglichkeit zu finden, mit Gilles zu sprechen, vor allem, als sich herausstellte, dass die beiden Geiseln des Herzogs von Zähringen nach Andernach gesandt worden waren, nicht nach Köln. Eines der von Pferden gegen die Strömung gezogenen Boote, mit denen auch im Winter Waren den Rhein hochtransportiert wurden, hätte Judith wohl nach Andernach gebracht, aber danach hätte sie bestimmt nicht mehr mit Richildis rechnen können.
    Von ihrem Plan, sich dem Onkel ganz zu entziehen, hatte sie sich vorerst verabschieden müssen. Judith lebte noch nicht ganz ein Jahr wieder in Köln. Sie hatte einige Patienten gefunden, aber noch nicht so viele, wie es zum Schluss in Salerno der Fall gewesen war. Dass sie eine Zeitlang Leibärztin der Byzantinerin gewesen war, gereichte ihr sogar zum Nachteil, so groß war die Ablehnung in breiten Kreisen der Bürgerschaft. Sich selbst hätte sie zur Not ernähren können, aber nicht auch noch Gilles. Ihr Onkel hatte nie etwas für Kost und Logis verlangt, und er war der Herr ihres Mannes. Nachzurechnen, wie viel Geld sie aufbringen müsste, wenn Gilles nicht mehr für Stefan arbeitete, verursachte Judith Magenschmerzen, nicht zuletzt, weil ohne Stefans Hilfe alles Geld, das sie besaß, einschließlich Irenes Ring, nicht für den Rückkauf des Hauses genügen würde.
    Es galt also, vorerst bei Richildis auszuharren und zu versuchen, genau das zu vermeiden, was Stefan ihr vorgeworfen hatte: sich kopfüber und ohne nachzudenken in eine unklare neue Lage zu stürzen. Zunächst musste sie herausfinden, ob Gilles wirklich auf ihrer Seite stand oder auf der Stefans. Davon hing es ab, ob es sich lohnte, den Erzbischof um eine Audienz zu ersuchen und klarzumachen, dass sie keine Auflösung ihrer Ehe wünsche. Dann galt es, eine zweite Einkommensquelle zu finden. Richildis’ Gemahl war ihr gegenüber immer noch ein wenig misstrauisch, was es erschwerte, sich auf unverfängliche Weise zu erkundigen, ob er einen weiteren Mann in seinen Diensten gebrauchen könnte. Die Freunde Stefans kamen in dieser Situation bestimmt nicht in Frage, und der Erzbischof erhielt sein Geld von Gerhard Unmaze, Stefan, Lambert und Constantin.
    Sie massierte Richildis den Rücken, braute ihr beruhigende Tränke und dachte daran, was Walther erzählt hatte. Was, wenn sie Köln verließe und Irene bäte, sie als Leibärztin wieder aufzunehmen, und Gilles als Wächter? Es würde bedeuten, ihren Stolz hinunterzuschlucken und genau dem Problem gegenüberzustehen, das sie dazu gebracht hatte, in Nürnberg mit Stefan zu gehen; ihre ärztliche Kunst auf das Wohlergehen einer einzigen Frau zu beschränken.
    Mosche ben Maimon hatte sich nicht nur um Saladin und dessen Familie gekümmert; es war ihm möglich gewesen, eine Menge anderer Patienten in Kairo zu behandeln, sonst hätte er seine Fallstudien nicht schreiben können. Er musste Saladin nur zur Verfügung stehen, wenn der Sultan nach ihm verlangte. Doch Rabbi Mosche war einer der berühmtesten Männer der Welt, und da konnte man gewiss ganz andere Bedingungen stellen, als es bei einer einfachen Judith – Jutta – aus Köln der Fall war.
    Dann gab es noch die Möglichkeit, als fahrende Ärztin durch die Lande zu ziehen. Kranke Menschen gab es schließlich überall und in jedem Vermögensstand. Es war sehr viel gefährlicher, als zum Haushalt einer Fürstin zu gehören, und sehr viel ungewisser, doch es würde sie auch in die Lage versetzen, niemals nur von einem Menschen abhängig zu sein. Wenn Gilles mit ihr kam, um sie als ihr Ehemann vor etwaigen Straßenräubern zu beschützen, und sie nirgendwo ein Haus erwerben mussten, dann konnten sie bestimmt zu zweit von ihrer Arbeit leben. Es sei denn, Gilles erklärte, Stefan sei sein Brotgeber, und er wolle in seinen Diensten bleiben.
    Ihr junger Vetter, Stefans Sohn Paul, besuchte sie. Er würde bald fünfzehn Jahre alt werden, was ihn mündig machte, doch in mancher Hinsicht erschien er ihr immer noch wie ein Kind. Sein Vater hatte ihn gebeten, ihr auszurichten,

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