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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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war heraus, ehe Walther es sich versah; als er es einmal ausgesprochen hatte, begriff er, dass er deswegen zu Reinmar gekommen war. Es gab sonst niemanden, dem er sich anvertrauen konnte, und gerade der Umstand, dass er Reinmars dunkelste Seite miterlebt hatte, ließ ihn sicher sein, dass er ihm nicht mit diesem Wissen in den Rücken fallen würde. Was Reinmar an Bösartigkeit ihm gegenüber in sich trug, das hatte sich in jener Nacht erschöpft.
    »Walther«, sagte Reinmar besorgt, »du warst doch nicht so töricht, die Prinzessin von Byzanz … was gibt es denn da zu grinsen?«
    Walther versuchte vergeblich, sein Lächeln zu einem Husten abzuwandeln. »Du musst zugeben, für jemanden, der mich gelehrt hat, dass nur eine Dame, die weit über dem Sänger steht, des Minnesangs würdig ist, ist es ein starkes Stück, jetzt gegen eine Dame zu protestieren, die eindeutig den höchsten Rang im gesamten Heiligen Römischen Reich hat, bis auf die Kaiserinwitwe natürlich.«
    »Ich sprach immer nur von Liedern, aber bei dir muss man befürchten, dass du unziemliche Gedanken zu Taten machen wirst. Das würde dich den Kopf kosten«, sagte Reinmar gekränkt. »Sosehr du bisweilen eine Lektion benötigst, so wenig wünsche ich dir diese.«
    Walthers Erheiterung verschwand so schnell, wie sie gekommen war, weil er an die letzte Lektion dachte, die Reinmar ihm erteilt hatte, ob absichtlich oder nicht.
    »Nun, dann kannst du ruhig schlafen«, sagte er brüsk. »Die Herzogin Irene hat nichts von mir zu befürchten.«
    »Aber wer …«
    Es kam Walther in den Sinn, dass er vorgeben könnte, in die Markgräfin von Meißen verliebt zu sein, was immer noch Reinmars Vorstellungen entspräche und immerhin nicht völlig erfunden war, doch gerade heute wollte er ehrlich sein.
    »Ich sprach von weiter Entfernung, und es sieht dir ähnlich, dass du sofort davon ausgehst, dies bedeute, dass die Dame über mir stehen müsse. Reinmar, hast du denn nie in deinem Leben ein Mädchen geliebt, das im Rang unter dir stand?«
    Reinmar hüllte sich noch ein wenig mehr in seinen Pelz. »Das ist keine Liebe, Walther. Das ist nur das, was wir mit den Tieren gemeinsam haben.«
    Der Zorn, der Walther ergriff, überraschte ihn. »Was wir mit einigen Raubtieren gemeinsam haben, das ist die Lust am Töten. Aber kein Tier, das ich je beobachtet habe, hat andere dazu abgerichtet, für sich diese Drecksarbeit zu erledigen, um sein Mütchen an Dritten zu kühlen.«
    Reinmars Haut wurde fahl. Man konnte die Stoppeln jenseits seiner sorgfältig gehaltenen Bartlinie erkennen, genau wie die roten Adern in seinen gealterten Augen. Er wusste, wovon Walther sprach. Natürlich wusste er es. »Warum«, stammelte er, »was hat das …«
    Ob blutleer oder nicht, Reinmar war immer ein Meister des Wortes gewesen und hatte sich nie anders als klar ausgedrückt. Ihn auf einmal stottern zu sehen, verriet, wie sehr ihm die Erinnerung an jene Nacht zu schaffen machte. Auf seltsame Weise beruhigte das Walther ein wenig. Zu klar erinnerte er sich daran, wie die Kreuzritter, die den Tross ein Stück begleiteten, nur gelacht hatten über ihre Untat.
    »Sie ist eine Jüdin«, sagte Walther. »Die Base des Münzmeisters Salomon. Und nun weißt du, warum es hoffnungslos ist.«
    Diesmal war die Stille, die sich in den Raum senkte, nicht eisig wie im Palas bei Leopold und seinen Höflingen, sondern schwer mit dem Gewicht eigener Taten und belastender Träume. Schließlich streckte Reinmar seine linke Hand aus und legte sie auf Walthers.
    »Du könntest ihre Seele retten, wenn du sie für das Christentum gewinnst und heiratest«, sagte er ernsthaft. Er meinte es gut, das war offensichtlich, und was auch immer ihn im letzten Frühjahr an Eifersucht und Groll getrieben hatte, war nicht mehr vorhanden. Doch Walther hatte sich ihm nie ferner gefühlt. Er sagte nichts, sondern erwiderte Reinmars Händedruck, doch ihm war klar, dass er nie mehr ein vertrauliches Wort mit ihm wechseln konnte.
    Er würde nicht lange hier in Wien bleiben. Um Leopold in der Hoffnung herumzustreichen, den verpatzten Eindruck von vorhin wiedergutzumachen, das war eine trübselige Aussicht, die auch nicht dadurch besser wurde, wenn er sich vorstellte, das den ganzen Weg von Wien ins Rheinland zu tun, denn Philipp hatte ihm verkündet, dass seine Königswahl nicht in Hagenau, sondern in Mainz stattfinden würde. Nein, es war an der Zeit, wieder etwas zu tun, auf das die hohen Herren nicht gefasst waren. Leopold wollte

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