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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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so zu Leibe gerückt, dass man fast von einem Turnier ohne Lanzen sprechen konnte. Außerdem hatte er bereits einen Scholaren aus ihrer Schar geworfen, weil er der jüngsten der drei Nonnen schöne Augen gemacht hatte.
    »Dem Tapferen gehört die Welt, und dem Sänger guter Lieder das Ohr der Frauen und die Leckereien in ihren Kochtöpfen«, sagte der Bettelmönch. »Im Übrigen bin ich ein Laienbruder.«
    »Aber hast du nicht gesagt, dass du berechtigt wärest, die Beichte abzunehmen?«
    »Nun, um offen zu sein, mein genauer Stand wird sich in Rom klären, das hoffe ich wenigstens. Wem schadet es, wenn ich in der Zwischenzeit die Herzen von ihrer Sündenlast befreie?«
    Sein Name war Martin, doch Walther argwöhnte, dass dieser Name genauso wenig echt war wie die Broschen und Medaillen, die ihm sehr wie mit etwas silberner Farbe überzogene Bronzen vorkamen. Als Geschichtenerzähler wusste er Martins Einfallsreichtum jedoch zu würdigen. Außerdem zeigte sich der Bettelmönch besser unterrichtet, als es Leopold gewesen war, nachdem er von seinen Beichten zurückkehrte. Wie es schien, war noch in der Nacht nach dem Tod Coelestin III. ein neuer Papst gewählt worden, ein Kardinaldiakon namens Lothar von Segni. Coelestin war bei seiner Wahl bereits fünfundachtzig gewesen, meinte Martin, und das Einzige, was er über Lothar von Segni wusste, war, dass der Mann siebenunddreißig Jahre alt war und den Namen Innozenz III. angenommen hatte.
    »Wir werden es noch rechtzeitig zur Papstweihe nach Rom schaffen«, erklärte er zuversichtlich. »Anna, mein Beichtkind von gestern, hat gesagt, sie sei auf Ende Februar angesetzt. Ihr Gatte liefert das Tuch für ein paar der neuen Roben.«
    »Warum ist dir das so wichtig?«, fragte Walther neugierig.
    »Wegen des Generalablasses natürlich«, gab Martin zurück. »Der nächste kommt erst zu Ostern, und bis dahin … nun, um offen zu sein, in mir ist ein Geschwür. Ich werde nach Salerno weiterziehen, doch wer weiß, ob sie mir dort helfen können. Also möchte ich vorher im Reinen mit unserem Herrn sein.« Er zwinkerte Walther zu. »Aber bis wir nach Rom kommen, lohnt es sich, noch ein wenig zu sündigen. Selbst der große Augustinus hat gebetet, Gott möge ihn sündenfrei machen, aber doch nicht gleich! Was einem Kirchenvater recht ist, muss einem armen Laienbruder wie mir doch billig sein, oder?«

    Zwei Mitglieder der Pilgerschar holten sich Erfrierungen an den Zehen, ehe sie die Berge hinter sich ließen, aber ansonsten brachten sie Schnee und Schneeschmelze hinter sich, ohne Verluste zu erleiden. Gefährlich wurde es erst, als sie die Gegenden verließen, in denen Deutsch gesprochen wurde. Sie hatten alle Geschichten darüber gehört, wie nach dem Tod des Kaisers in Italien die Hölle ausgebrochen war. Der Ritter versicherte, sie beschützen zu können, doch der Zisterzienser beschwor ihn, das sein zu lassen. Walther und Martin, die zwar beide die Volgare sprachen, aber den Schutz der größeren Gruppe nicht verlieren wollten, hatten sich vorgenommen, das für sich zu behalten, um gar keine Diskussion über ständige Hilfe beim Übersetzen aufkommen zu lassen.
    »Wir sind Pilger«, sagte der Zisterzienser. »Brüder und Schwestern in Christus. Wer Pilger nach Rom und Santiago de Compostela verletzt, ist verflucht und verliert sein Seelenheil. Wenn wir dagegen als Waffenträger erscheinen, beschwören wir die Gefahr geradezu herauf.« Mit einem strengen Blick in die Richtung von Walther und Martin fügte er hinzu: »Gesten und Scherze, die missverstanden werden könnten, sollten auch unterlassen werden.«
    Wie sich herausstellte, waren die Klöster wirklich gastfreundlich, doch das mochte auch damit zusammenhängen, dass im letzten Jahr eine Flut an deutschsprachigen Rittern und Kaufleuten nicht nur Obdach auf heiligem Boden gesucht hatte, sondern auch bereit gewesen war, dafür zu bezahlen. Nachdem der Zisterzienser sie an die Pflicht der brüderlichen Liebe für Pilger erinnert hatte, wurden sie zwar etwas weniger freundlich empfangen, doch trotzdem untergebracht. Walther gelangte allmählich zu der Überzeugung, dass alle schlimmen Berichte heillos übertrieben worden waren, bis der Ritter in Verona den Fehler machte zu erwähnen, dass sein Vater mit dem alten Kaiser Rotbart hier gewesen sei, und das in Hörweite einer Gruppe von Einheimischen. »Barbarossa?«, wiederholte einer wütend. Am Ende hatte die Pilgergruppe Glück, nach einem Steinhagel gerade noch ihre Herberge zu

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