Das Spiel der Nachtigall
sie etwas von dem Gegröle in der Volgare. »Die hat gequiekt wie ein Schwein« und »Hast du mitbekommen, das waren Deutsche« und »Nicht besser verdient«. Eine Ahnung, dass etwas Schreckliches passiert sein musste, drängte sich ihnen auf.
Sie fanden die Leichen eine halbe Stunde später, Pilger, die unter dem Schutz Gottes standen. Alle waren sie tot, die Nonnen, der Ritter, sein Knappe, der Zisterzienser, der Bettziechenweber. Tot und ausgeplündert, sogar ihre Kutten und Unterkleider waren offenbar den Diebstahl wert gewesen. Die Nonnen waren vor ihrem Tod noch vergewaltigt worden; man konnte Blut und Samen zwischen ihren Schenkeln und auf ihrem Bauch sehen. Warum es geschehen war, blieb Walther unbegreiflich: War das Morden den Kriegsknechten so in Fleisch und Blut übergegangen, dass ihnen egal war, wen sie töteten? Durfte man solchen Leuten überhaupt Waffen geben? War das nicht schon zu viel Macht, wie die Toten bewiesen? Gab es niemanden mehr, der solchen Auswüchsen Einhalt gebieten konnte? Martin murmelte etwas von Tieren, nicht Menschen, die hier gewütet hatten.
»Tu diesen Kreaturen nicht die Ehre an, sie Tiere zu nennen. Tiere vergewaltigen nicht, Tiere quälen nicht, sie töten nur, wenn sie Hunger haben, nicht aus Freude.« Aber Walthers Zorn ebbte auch durch diesen Gefühlsausbruch nicht ab.
Martin äußerte die Hoffnung, dass mörderische Verhältnisse wie diese mit dem neuen Papst ein Ende haben würden, und forderte Walthers Widerspruch geradezu heraus. »Mord, Vergewaltigung, Raub, das gibt es heute, das wird es morgen geben und in tausend Jahren. Solange es Menschen gibt, die den Besitz anderer begehren oder Macht über andere haben wollen, ändert sich daran nichts. Ich bin eher gespannt, ob Innozenz mit Macht umgehen kann. Ob bei ihm der Auftrag von Jesus, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst, erkennbar bleibt«, fügte er noch verbittert hinzu.
Sie verbrachten den Rest des Tages damit, die Leichen zu beerdigen, während Martin alle Gebete sprach, an die er sich erinnerte. Walther konnte sich noch an die Namen der Nonnen und des Zisterziensers erinnern, aber nicht, aus welchem Kloster sie gekommen waren. Der Ritter Heinrich hatte einen Kärntner Akzent gehabt, aber sein Name war der häufigste Name im Heiligen Römischen Reich. Der Bettziechenweber war ihnen gänzlich ein Unbekannter geblieben. Niemand, nicht der Vetter des Ritters, der ihn unehelich genannt hatte, noch der Abt der Nonnen würde je erfahren, was aus ihnen geworden war. Es war, als hätten sie nie gelebt, ausgelöscht durch eine Stunde Gewalt und den Tod.
Das sah ich, und ich sag euch das: keiner, der lebet ohne Hass.
Die Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf, fügten sich in eines seiner Lieder für Philipp ein. Aber wenn die Welt immer so war, dann war Walther trotzdem nicht zufrieden damit. Nicht zufrieden, sie so zu lassen. Die Menschen hatten Besseres verdient. Alle Menschen hatten Besseres verdient.
Kapitel 21
W as Philipp am meisten im Magen lag, war, dass es ihm entschieden an geistlichen Fürsten mangelte. Der Bischof von Mainz, der nicht nur der Erzkanzler des Reiches war, sondern eigentlich auch derjenige, der zur Wahl eines deutschen Königs laden sollte, ließ sich mit seiner Rückkehr aus dem Heiligen Land ungewöhnlich lang Zeit, und Adolf von Köln hatte sich zu seinem Stellvertreter erklärt. Außerdem hatte er den Erzbischof von Trier für sich gewonnen, indem er ihm den gesamten Kölner Kirchenschatz verpfändete, weil auch die Hilfe und das Geld seiner Kölner Kaufleute nicht unbegrenzt waren. Der Bischof von Straßburg stand ebenfalls an der Seite von Adolf und wollte wie dieser den Zähringer als König sehen.
Damit durfte es nun aber wohl vorbei sein; nach der Flucht der Geiseln sollte auch Adolf klar sein, dass er in Herzog Berthold keinen willigen Thronanwärter hatte. Trotzdem war Philipp nicht undankbar für das Erscheinen der beiden jungen Männer an seinem Hofe: Sie ermöglichten es ihm, die eingeplanten Kosten für Bertholds Unterstützung etwas zu senken. Eine Burg war eine Burg, und die Feste seines Bruders Konrad nicht zur Zerstörung freigeben zu müssen, erhielt ihm nicht nur einen Stützpunkt, sondern ersparte ihm auch die Kosten des Wiederaufbaus. Außerdem schwor Heinz von Kalden, dass man nach Lage der Dinge um einen Angriff auf Andernach früher oder später nicht herumkommen würde, und die beiden Geiseln waren mit einem Söldner aufgetaucht, der dort gedient hatte. Das
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