Das Spiel der Nachtigall
Übernachtung fand in einer Einsiedelei statt, doch danach führte sie der Weg wieder durch ein betriebsames Städtchen. Walther überredete Martin, einen weiteren Ausflug zu unternehmen, diesmal einen, der nichts mit Nonnen zu tun hatte.
»Mir geht es heute nicht so gut«, sagte Martin mit einem leicht verzerrten Lächeln.
»Ein Grund mehr, um zu sündigen«, gab Walther zurück.
Sie schlichen sich aus dem Spital, in dem sie übernachten sollten. Es war erst früh am Nachmittag; sie hatten in dieser Stadt haltgemacht, weil der Zisterzienser sicher war, dass nach der Stadt auf dem Weg nach Rom lange nichts mehr kommen würde, und es war immer noch zu kalt, um im Freien zu übernachten, selbst hier in Italien, wo die Natur ein paar Wochen weiter zu sein schien.
»Musik und Liebe kennen keine Grenzen«, sagte Walther, zumal er und sein Begleiter geschickt vertuschen konnten, Deutsche zu sein. Seine Laute und Martins wunderbare Stimme ließ die beiden dann auch nicht lange einsam in der Schenke vor ihrem Becher Wein sitzen, wo sie ein beliebtes Weinlied sangen.
Sitzt so ein Sänger beim Weine,
Hemmungen kennt er dann keine,
Säuft er sich voll bis zum Rande,
bringt leicht sein Mund ihn in Schande.
Ich aber, bin ich betrunken,
sprühen mir die Verse wie Funken.
Drum lasst mich trocken nicht hocken,
sonst folgt ein Stümpern und Stocken!
Walther, der nach seinem Abschied von Judith noch bei keiner Frau gelegen war, wollte vergessen, dass sie verheiratet war. Lange schwarze Haare, die seine Beine streiften, wenn sie auf ihm saß, eine Haut wie ein Pfirsich, breite Hüften und ein weicher, großer Hintern, geformt wie zwei köstliche Brote, zum Reinbeißen einfach, dazu noch kräftige Brüste mit großen, dunklen Warzen und ein unstillbarer Hunger auf Leben, der ihm aus dunklen Augen entgegenblitzte, schafften es dann auch schnell, ihn so abzulenken, dass er jede Zeit vergaß. Er hätte sich wahrlich Glückspilz nennen sollen, denn sie ließ und ließ ihn nicht gehen. Sie hatte offenbar auch etwas nachzuholen, und dann waren sie beide irgendwann eingeschlafen.
Als er erwachte, war es früher Morgen, und er brauchte fast bis zum Mittag, um Martin zu finden, dem es nicht schlechter als ihm ergangen sein musste. Als sie die Einsiedelei erreichten, stand nur noch Walthers Pferd da, die Gruppe war ohne sie weitergezogen.
Da er wusste, dass die Pilgerreise nach Rom für Martin einen ernsten Grund hatte, schlug er vor, nicht auf die nächste Gruppe zu hoffen, sondern sich gemeinsam bis in die Ewige Stadt durchzuschlagen. Martin war indes tiefer von dem Debakel getroffen: Er wanderte verstört und mit zitternden Lippen den Weg entlang, bis Walther, dessen Versuche, ihn aufzuheitern, alle fruchtlos verlaufen waren, schließlich sagte: »Nimm es mir nicht übel, aber wir wissen beide, dass du kein Mönch bist. Sei doch froh, nicht länger einen spielen zu müssen!«
»Aber ich wollte ein Mönch sein«, entgegnete Martin düster. »Kein Kloster hat mich aufgenommen. Da dachte ich mir, ich werde beweisen, dass ich als Mönch leben kann. Nur musste ich mich eben auch von etwas ernähren, und so führt ständig eines zum anderen. Aber es gab eine Zeit, da hatte ich kein größeres Vorbild als den heiligen Benedikt.«
»Besser ein tapferer Sünder als ein halbherziger«, meinte Walther philosophisch, und sie lachten. Eigentlich wollte er Martin gerne anbieten, sein Knappe zu werden, denn er mochte ihn, doch wenn Martin wirklich zu Tode erkrankt war, dann machte ein solches Angebot keinen Sinn.
Sie verbrachten die nächsten beiden Tage guter Dinge, wobei sie abwechselnd beide liefen und Hildegunde nur das Gepäck tragen ließen, oder einer von ihnen, der gerade etwas Erholung brauchte, auf dem Pferd saß. Dann hatte Hildegunde wieder einen ihrer Anfälle von Bissigkeit und Sturheit, weigerte sich, weiterzugehen, keilte aus und wäre um ein Haar durchgegangen. Martin machte einen Scherz über die Ähnlichkeit von Herr und Tier – und hielt mitten im Satz inne. Seine Stirn überzog sich mit einem Runzeln.
»Walther«, sagte er und schniefte ein paarmal, »da liegt etwas in der Luft, lass uns in den Büschen verschwinden, hier stimmt etwas nicht.«
Kaum hatten sie den Weg verlassen und sich hinter hohem Gestrüpp verborgen, als ein Trupp Berittener mit einem bunten Wappen auf ihren Rüstungen in Sichtweite kam. Walther hielt Hildegunde die Nüstern zu, damit sie ruhig blieb, was sie erstaunlicherweise auch hinbekam. So verstanden
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