Das Spiel der Nachtigall
zukünftige deutsche König geschickt, wie ich es Euch sagte, aber ich habe nie behauptet, dass es sich dabei um Graf Otto handelte. Herzog Philipp ist mein Herr.«
»Dann hat er dich wohl beauftragt, meine arme kleine Tochter zu vergiften!«, platzte eine völlig überrascht aussehende Herzogin heraus. »Bei Gott, das sieht einem Staufer ähnlich!«
»Nein«, sagte Judith, »er hat mich geschickt, um zu prüfen, ob sie eine Braut für das Haus Hohenstaufen sein kann, eine zukünftige Königin und Kaiserin.«
Mitten in der Empörung wirkte Mathilde von einem Moment zum anderen verblüfft. Sie runzelte die Stirn. »Will er seine Ehe mit der Byzantinerin annullieren lassen?«
Judith schüttelte den Kopf. »Er will für seinen Neffen Friedrich um Eure Tochter anhalten. Euer Gnaden, es ist dem Herzog wichtig, alle alten Wunden zu heilen, nicht neu aufzureißen. Er weiß, dass selbst die Anhänger der Staufer gespalten sind, denn sie haben seinem Neffen zuerst Treue geschworen. Doch jetzt muss ein Mann auf dem Thron sitzen. Welche bessere Lösung gäbe es da, als seinen Neffen an Sohnes statt anzunehmen und zu seinem Erben zu machen? Und welche bessere Braut gäbe es für einen zukünftigen Kaiser als Eure Tochter, Erbin eines Geschlechtes, dem seine eigene Familie unrecht getan hat?«
Mathilde, die bisher gestanden hatte, setzte sich auf eine Truhe. »Hmm. Das … das lässt sich hören. Natürlich ist Graf Otto unendlich würdiger, und es gibt keinen Zweifel, wen ich bevorzuge, doch es freut mich, dass Philipp nicht gänzlich blind gegenüber dem ist, was er mir und meiner Familie schuldet. Aber warum hat er nicht eine größere Gesandtschaft geschickt, um förmlich um meine Tochter zu werben?«
Judith breitete die Hände aus. »Euer Gnaden, auch der Herzog ist nur ein Mann – ein Mann, der seinen Stolz hat. Ehe er eine Gesandtschaft schickt, wollte er erst erkunden, ob es überhaupt eine Möglichkeit gibt, dass Ihr sein Angebot nicht sofort ablehnt. Deswegen hat er mich gebeten …«
»Hm«, machte Mathilde erneut. Sie stützte ihren linken Ellbogen auf ihr Knie und legte ihr Kinn auf die offene Hand. Ihre Augen fingen an zu funkeln. Die Vorstellung, nicht nur einen, sondern beide Bewerber um die Königskrone zu Füßen ihrer Tochter zu sehen – und damit zu ihren eigenen –, gefiel ihr offensichtlich ausgesprochen gut. Im Inneren sprach Judith ein kleines Dankgebet, das sie seit ihres Vaters Tod nicht mehr von sich gegeben hatte.
»Nun denn«, entschied die Herzogin, »wenn meine Tochter tatsächlich jene hässlichen Schürfstellen loswird, statt davon noch mehr zu bekommen, dann will ich glauben, dass Philipp tun will, was rechtens ist. Meine Tochter wird Graf Otto anverlobt werden, denn ich stehe zu meinem Wort, aber ihre Schwester … ihre Schwester ist noch ungebunden. Sollte Philipp für seinen Neffen um sie anhalten, dann muss die Antwort nicht Nein lauten. Es versteht sich, dass die Mitgift meiner Adelaide nicht geringer sein wird als die meiner Marie.«
»Und wem«, wagte Judith zu fragen, »wird die Stimme Eures Gemahls gelten?«
»Dem zuvorkommenderen unserer zukünftigen Schwiegersöhne«, gab die Herzogin huldvoll zurück.
* * *
Die Frühlingssonne schien sehr hell. Es war ein Tag, an dem die Wunden, die der Winter der Erde geschlagen hatte, allmählich zu heilen schienen, als Philipp von Schwaben im thüringischen Mühlhausen am 8. März zum deutschen König gewählt wurde. Dietrich von Meißen war sich bewusst, dass sein Schwiegervater ihn für einen voreiligen Narren hielt, der bei etwas längerer Zurückhaltung noch mehr hätte aus Philipp herausholen können, aber das war nur neidisches Gehabe, weil Dietrich es war, der mit der Vermittlerrolle beauftragt worden war, er, der den Bischof von Magdeburg für die Staufer an Land gezogen hatte, er, der dafür gesorgt hatte, dass Thüringen, nicht irgendeine Rheinfeste, die Ehre hatte, Ort der deutschen Königswahl zu werden.
»Und wie viel Geld bringt dir das ein?«, hatte sein Schwiegervater vernichtend gefragt. »Ich hoffe, du kannst dir die Ausgaben leisten, Gastgeber für Philipp und die Fürsten zu spielen, denn da hast du uns etwas eingebrockt. Himmelherrgott noch mal!« Hermann war einfach nur neidisch.
Dietrich sah sich bereits als zukünftigen Reichshofmarschall. Heinz von Kalden war schließlich nicht mehr der Jüngste. Ein, zwei Jahre sollte man ihn vielleicht noch aus Gründen der Dankbarkeit im Amt lassen, aber dann wurde es
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