Das Spiel der Nachtigall
immer der Zurückhaltende von ihnen gewesen war, es irgendwie fertiggebracht hatte, zwei Frauen die Ehe zu versprechen, und nicht irgendwelchen, sondern Frauen mit sehr streitlustigen, einflussreichen Verwandten, die eine saftige Strafe bei Kirche und Gericht für so etwas durchsetzen konnten.
Es hatte etwas Angenehmes, wieder mit Markwart zu leben. Dass Markwart mit seiner großen Statur auch den Eindruck erweckte, gut mit Waffen umgehen zu können, selbst wenn das nicht stimmte, war dabei noch das Geringste. Sein Freund neigte immer noch dazu, sich schnell zu beschweren, aber er konnte kochen und brachte es fertig, selbst aus einer mageren Wachtel ein köstliches Gericht zu machen, wenn es keine Burg, kein Kloster oder kein Spital gab, in dem sie die Nacht verbringen konnten. Außerdem war er der einzige Mensch, den Hildegunde auf Anhieb mochte und der selbst dann noch auf Walthers Seite stand, wenn er sein Tun für gänzlich verrückt hielt. Ausgerechnet Köln einen Besuch abzustatten, hatte Markwart trotzdem von Anfang an mit tiefem Unwohlsein erfüllt. »Warum willst du das tun? Ich dachte, du stehst auf Philipps Seite? Sind die Kölner da nicht von ganz allein deine Feinde?«
»Ich bin auf meiner Seite, und die hält sich derzeit mehr an Philipp, das stimmt. Aber es lohnt sich nicht, Loblieder auf Philipp oder Spottlieder auf den Papst nur da zu singen, wo einem der Beifall gewiss ist. Die wahre Herausforderung liegt darin, eine feindselige Zuhörerschaft für sich zu gewinnen.«
»Du willst vor Leuten singen, die dich deswegen in Stücke reißen werden?«, rief Markwart entsetzt.
»Ich verspreche dir, keine Lieder zu singen, die mich oder dich als Einzelteile enden lassen«, erwiderte er. Es war nicht so, dass er Markwart nicht vertraute. Doch was sein Freund nicht wusste, das konnte er nicht ausplappern, und dazu gehörte sowohl Walthers Auftrag als auch das, was ihn außerdem noch nach Köln trieb. »Du solltest doch inzwischen wissen, dass ich meine Kunst immer auf die Zuhörer abstimme. Für die Kölner wird es Lieder geben, bei denen sie zu zwei Dritteln ohnehin der gleichen Meinung sind und nur in einem Drittel einer anderen. Ich werde ihnen den Stachel mit Honig versüßen. Sie werden erst dann merken, dass sie ihn geschluckt haben, wenn sie anfangen, bei der nächsten Lobpreisung Ottos Magenschmerzen zu erleiden.«
»Da ist noch etwas anderes, gib es zu«, mutmaßte Markwart und bewies, dass er seine Fähigkeit, Walther richtig einzuschätzen, noch nicht ganz verloren hatte.
»Der Erzbischof von Köln hat mich bei meinem letzten Besuch nicht hören wollen, und das liegt mir im Magen.«
»So eitel bist du nicht.«
»Doch, das bin ich. Der Erzbischof von Köln ist der wichtigste Bischof, Herr der größten Stadt im Reich, Herzog des Rheinlands und Kurfürst, das verkündet er schließlich oft genug. Wenn ich der berühmteste Sänger im Reich werden will, dann muss ich auch an seinem Hof gespielt haben. Das ist eine Frage der Zunftehre, Markwart.«
»Fahrende Ritter dürfen gar nicht Mitglied einer Zunft sein«, murrte sein Freund, »und dass es keine für euch Sänger gibt, ist sogar ein Glück, denn wenn die anderen so wie du und der alte Reinmar sind, dann würdet ihr euch bei jedem Zunftessen so lange die Ohren vollreden, bis alle Gerichte kalt geworden sind.« Er hatte sich noch einmal versprechen lassen, dass Walther nichts zu Herausforderndes singen würde, und dann die Reise nach Köln mit ihm begonnen.
Die Leichen in dem Dorf waren nicht die ersten, die sie auf ihrem Weg gefunden hatten; sie waren vorher schon durch viele Siedlungen gekommen, die gebrannt hatten und in denen kaum noch Menschen lebten. Markwart hatte recht mit seiner Warnung vor den Plünderern, doch Walther trieb Hildegunde nicht an, sondern stieg ab.
»Was zum Teufel …«
»Markwart, ich werde die Wachen überreden müssen, mich überhaupt in die Stadt zu lassen. Wenn ich einer Familie ihren toten Sohn oder Gatten bringe, damit sie ihn bestatten können, dann wird das wesentlich einfacher werden.«
Markwart warf ihm einen merkwürdigen Blick zu, halb entsetzt, halb beeindruckt. »Du hast dich verändert«, sagte er, mehr nicht, und hielt die Pferde, während Walther zwischen den Leichen umherwanderte. Wenn Ritter darunter waren, dann hatte man sie schon längst ihrer Rüstungen beraubt. Die meisten Körper auf der Erde trugen Platen, jene Tuchröcke mit aufgenieteten Eisenplatten, die sich auch ein einfacher
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