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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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schnelle Schritte hörte. Er drehte sich um und stand Judiths ehemaliger Magd Lucia gegenüber. War sie vorhin in der königlichen Kinderstube gewesen?
    »Herr Walther«, sagte sie auf Deutsch, das sie mittlerweile fließend sprach. »Die Magistra ist in Gefahr, habt Ihr gesagt?« Er nickte. Lucia biss sich auf die Lippen. »Ich – ich schulde ihr viel«, sagte sie. »Sie hat mir in Salerno geholfen und ich – ich glaube, sie denkt, ich bin undankbar. Was für eine Gefahr?«
    Damit er nicht wieder verdächtigt wurde, nur den heiligen Gilles zu beneiden, verzichtete Walther diesmal auf Spekulationen über den Grund von Judiths Eheschließung und sagte nur, er habe in Köln böse Worte über sie von einem Fürsten gehört, dem die Magistra auf gar keinen Fall in die Finger geraten dürfe.
    »Die Herrin war sehr froh, als die Magistra zurückkam aus Brüssel, auch wenn sie nicht lange bleiben wollte und sagte, sie brauche viele Patienten oder eine Aufgabe. Gut, hat da die Herrin geantwortet, eine Stadt und eine Aufgabe: Braunschweig.«
    Zuerst dachte Walther, er müsse sich verhört haben. »Braunschweig?«, wiederholte er bestürzt. Seine Stimme klang heiser.
    »Liegt das nicht irgendwo im Norden?«, fragte Markwart.
    »Es ist das Herz der Welfen«, sagte Walther. »Der Pfalzgraf Heinrich residiert dort, Ottos älterer Bruder.«
    Nimm dich zusammen, befahl er sich. Er hatte sich selbst lang und breit bei Philipp über brüderliche Rivalitäten ausgelassen und darüber, dass der Pfalzgraf eigentlich vor Groll seinem jüngeren Bruder gegenüber bersten musste. War es wirklich so überraschend, dass Philipp oder Irene nun jemanden geschickt hatten, um in diesem Hornissennest herumzustochern? Dass sie jemanden geschickt hatten, der bereits sehr erfolgreich einen anderen Auftrag gegen Otto erledigt hatte?
    Otto ist in Köln, sagte er sich, nicht in Braunschweig, und es ist nicht so, als ob er sonst keine Sorgen hätte, als überall im Reich nach einer Ärztin suchen zu lassen. Ganz bestimmt erwartet er sie bei seinem eigenen Bruder am allerwenigsten.
    »Wie lange ist das her, Lucia?«, fragte er trotzdem. Die Magd runzelte die Stirn, zählte an den Fingern ab und kam zu der Schlussfolgerung, dass es sechs Monate sein mussten.
    Es war sehr gut möglich, dass er sich mit einer Reise nach Braunschweig nur lächerlich machen würde. Dass er Judith gesund, munter und frei vorfand und binnen einer Viertelstunde in einen Streit mit ihr verwickelt sein würde. Gut, dann würde er eben die Reise als Möglichkeit betrachten, einmal für den Pfalzgrafen von Braunschweig gesungen zu haben. Denn wenn er hierblieb und für die Staufer weiter die Laute zupfte, während Judith niemanden hatte, der bereit war, alles für ihre Sicherheit zu tun, dann war das unendlich schlimmer als die Verlegenheit, überflüssigerweise den Retter spielen zu wollen.
    Markwart warf ihm einen Blick zu und seufzte. »Wir bleiben nicht lange hier, nicht wahr?«
    »Nein.«

    Walther wusste, dass er bisher sehr viel Glück gehabt hatte, immer erst nach einem Kampf oder einem Überfall am Ort des Geschehens eingetroffen zu sein. Damit konnte er nicht ewig rechnen. Zum Glück brauchte er nicht lange, um jemanden zu finden, der bald nach Norden reisen würde, ohne das bisher zu ahnen.
    Botho, ein Dienstmann von Philipps Kanzler, verriet, dass jener Konrad von Querfurt über die Entscheidung des Papstes für Otto noch unglücklicher war als der Rest von Philipps Anhängern: »Das Bistum von Würzburg sollte das seine sein, aber der Papst hat es noch nicht bestätigt«, sagte der Mann. »Jetzt wird er Würzburg bestimmt nicht bekommen, als Philipps Mann. Dabei hat er doch mit dem Papst zusammen in Paris studiert! Eine Schande ist das, die ihm die Seele bluten lässt.« »Er brauchte eben nichtstaufische Fürsprecher beim Heiligen Stuhl«, meinte Walther und schenkte Wein nach.
    »Wem sagt Ihr das! Aber die sind in solchen Zeiten kaum zu finden.«
    »Der Pfalzgraf Heinrich«, sagte Walther gelassen, »soll eine großzügige Seele sein. War er nicht einst für kurze Zeit Geisel am Hof Eures Herrn, ehe sein Vater Frieden mit den Staufern schloss?« Botho schaute verblüfft drein, was kein Wunder war, denn Walther hatte diese Kleinigkeit selbst am Nachmittag erst herausgefunden, als er sich umhörte, ob der Pfalzgraf – außer seiner Heirat mit Philipps Base Agnes – je in Verbindung mit den Staufern und ihren Leuten gestanden hatte. »Euer Herr war gewiss ein

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