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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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trugen, dass man sie nicht mit der Stadtwache verwechseln konnte. »Ich hätte nicht gedacht, dass der Pfalzgraf so viele Männer unter seinem Befehl hat«, sagte Walther zu Botho, der nur etwas vor sich hin murmelte und nicht antwortete. Dafür sagte Markwart, als sie wieder nebeneinander gingen: »Ich glaube nicht, dass die meisten von denen Sachsen sind. So, wie die durch die Stadt stapfen, gehört sie ihnen nicht. Außerdem habe ich gerade einen von ihnen einen Bauern anbrüllen hören, er solle mit seinem Apfelkarren aus dem Weg gehen, und wenn der mit der deutschen Sprache aufgewachsen ist, beiß ich mir in den Hintern.«
    »Der Pfalzgraf ist wie sein Bruder Otto bei König Richard aufgewachsen«, sagte Walther unruhig. »Vielleicht stellt der neue englische König ihm bereits Kriegsknechte zur Verfügung.« Was ihm mehr als das im Magen lag, war die Möglichkeit, dass es sich gar nicht um Leute unter dem Befehl des Pfalzgrafen handelte, sondern um Ottos Mannen. »Wenn wir in der Burg sind«, sagte er zu Markwart, »dann geh in die Küche, sag, du hast Hunger …«
    »Ich habe Hunger!«
    »… und frag, ob auch Männer König Ottos in der Stadt sind.«
    »Und nach deinem Mädchen soll ich nicht fragen?«
    »Sie ist nicht mein Mädchen, und nein, lass mich das machen. Wenn es ihr gutgeht, dann will ich sie nicht in Gefahr bringen.«
    »Wie willst du das dann bitte herausfinden?«
    »Markwart«, sagte Walther mit einem schwachen Lächeln, »ich werde der Pfalzgräfin meine Aufwartung machen und darum bitten, für sie singen zu dürfen. Und dann werde ich ganz, ganz dringend einen Arzt brauchen.«

    Leider teilte die Pfalzgräfin Agnes die Vorliebe ihrer Familie für den Gesang ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Sie ließ Walther mitteilen, nicht das geringste Bedürfnis zu haben, von einem Spielmann unterhalten zu werden; dergleichen eitler Zeitvertreib sei nichts für sie. Sie und ihre Damen hörten gerade eine Bußpredigt des großen Bernard von Clairvaux, übersetzt und vorgetragen von einem ehrwürdigen Bruder der Zisterzienser, und daher waren sie ganz und gar nicht zu sprechen für fahrende Sänger, gleich welchen Standes.
    »Ich kann auch Klagelieder vortragen, über die Schlechtigkeit der Welt und den Zustand der menschlichen Seele«, sagte Walther.
    »Seid Ihr geistlichen Standes?«, fragte der Haushofmeister.
    »Nein, aber …«
    »Dann will die Pfalzgräfin auch nicht hören, was Ihr über die menschliche Seele zu sagen habt.«
    Nun gut, dachte Walther. Dann war es eben an der Zeit, seinen Plan etwas anders voranzutreiben. »Auch der Zustand des menschlichen Körpers kümmert mich. Ich leide gerade unter einem starken Magengrimmen. Wenn die Pfalzgräfin mich nicht sehen will, könnt Ihr mir vielleicht einen Arzt weisen?«
    »Nun, wir haben zwei, drei Bader in der Stadt«, begann der Haushofmeister. Walthers Herz sank. »Und dann gibt es auch noch die Magistra aus Salerno. Aber die hat gerade wohl kaum Zeit, sich um Euch zu kümmern. Also solltet Ihr lieber zum Bader gehen.«
    »Eine Frau aus Salerno, wirklich? Das klingt doch sehr gut. Wo finde ich sie?«
    »Derzeit? Nun, wenn ich raten müsste, würde ich sagen, um Gnade winselnd bei jedem, der sie anhören will. Der Pfalzgraf hat strikte Anweisung gegeben, sie nicht mehr vorzulassen.«
    Er hätte doch mit Markwart und den Kriegsknechten üben sollen. Selbst eine miserabel geführte Klinge wäre jetzt bestimmt hilfreich gewesen. »Wo ist sie?«
    Der Haushofmeister sah ihn überrascht an, nannte ihm dann aber eine Straße, wo die Magistra ein Haus mit einem jüdischen Rabbi und seiner Familie teile: »Und das sagt doch schon alles. Warum die Pfalzgräfin ihr so lange ihre Gunst geschenkt hat, war mir immer schleierhaft, noch ehe jene unglückliche Wahrheit an den Tag getreten ist, die alle ehrbaren Menschen zum Erröten bringt.« Seinem Blick war deutlich anzumerken, dass er Walther nicht dazu zählte, aber der hörte ihm schon nicht mehr zu. Er eilte in die Küche, um sich Markwart als Verstärkung zu holen.
    »Walther, du hattest recht, das sind Ottos Leute. Wie es scheint, will er, dass sein Bruder ihm Braunschweig überlässt, und …«
    »Erzähl mir das später. Markwart, wir müssen uns beeilen!«
    In einer fremden Stadt den Weg zu einer bestimmten Straße zu finden, war nie ein Vergnügen, schon gar nicht, wenn einem die Gewissheit unter den Nägeln brannte, keine Zeit verlieren zu dürfen. Schließlich geschah das Unvermeidliche: Walther rannte

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