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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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freundlicher Gastgeber. Wie könnte er etwas anderes gewesen sein?«
    »Gewiss, nur …«
    »Und hegte der Pfalzgraf Groll gegen alle Stauferanhänger, dann würde er das rheinische Erbe seiner Frau nicht verwalten können. Dabei ist er der Bruder des Mannes, den der Papst gerade zum gottgewollten König erklärt hat. Wirklich, einen besseren Fürsprecher kann sich Euer Herr beim Stellvertreter Christi nicht wünschen!«
    Zwei Tage später war unter der Führung Bothos ein kleiner von Kriegsknechten bewachter Tross aus Dienstleuten des gewählten, aber nicht bestätigten Bischofs von Würzburg in Richtung Braunschweig unterwegs, dem sich Walther anschloss. Markwart fragte etwas säuerlich, ob er ihm nicht zugetraut hätte, allein mit Wegelagerern fertig zu werden.
    »Besser zu vorsichtig als tot. Außerdem fragt uns auf diese Weise niemand an den Braunschweiger Stadtmauern, was wir in der Stadt eigentlich wollen. Mich als Philipps Sänger vorzustellen, könnte unserer Gesundheit schlecht bekommen.«
    Markwart bat die Kriegsknechte jedes Mal, wenn sie eine Pause machten oder zur Nacht abstiegen, ihn mit stumpfen Waffen üben zu lassen, und er machte erkennbare Fortschritte auf der langen Reise. Es kam Walther in den Sinn, das Gleiche zu tun, doch er hielt es für sinnlos: Er würde nie gut genug mit Spieß, Schwert oder Keule umgehen können, um sich mit einem Ritter, Kriegsknecht oder Räuber zu messen. Sein Verstand würde ihm helfen müssen, erst gar nicht in solche Situationen zu kommen. Also unterhielt er ihre Begleiter stattdessen mit dem deftigen Lied eines Sängers, das man bei Hofe nicht spielen durfte, bei diesen rauhen Gesellen aber sehr beliebt war:
Ungern schien sie’s zu ertragen,
Mir doch war’s ein Wohlbehangen:
Räuber – fing sie an zu klagen,
Wie nur konntest du es wagen.
Bitte, tu’s nicht weitersagen,
Weil ich Sorge hege.
Mein Vater und die Brüder wachen,
Arg strenge über solche Sachen,
Hätte wahrlich nichts zu lachen,
Selbst Mutter würde schnell zum Drachen,
Mir die Hölle heißzumachen,
Und es gäbe Schläge.
    Kaum hatten sie die Grenze des westlichen Sachsen passiert, erwies sich, dass Walther die richtige Entscheidung getroffen hatte, nicht alleine loszuziehen. Es waren keine Räuber oder Männer der Welfen, sondern Leute des Herzogs von Sachsen, dem es ganz und gar nicht gefiel, inmitten seines Herzogtums noch welfische Besitzungen zu haben. Daher verlangte er doppelt hohe Zölle von allen, die nach Braunschweig wollten. Alleine hätte Walther keine andere Wahl gehabt, als für sich und Markwart zu zahlen; die Männer des Bischofs von Würzburg hatten indes nicht die geringste Absicht, es zu tun. Botho teilte mit dem Reichsmarschall Heinz von Kalden – dessen Verwandtschaft mit ihm er stets betonte – den Hang zur Gewalt. Es kam zu einem Kampf, irgendwo zwischen einer Schenkenkeilerei und einem kleinen Gemetzel angesiedelt. Am Ende war ein Mann tot, aber die Leute des Bischofs mussten nur den gewöhnlichen Zoll zahlen.
    »Donnerwetter«, sagte Markwart. »Das lässt einen doch ganz anders über deinen Vater denken.« Sein Versuch, sich gelassen zu geben, erstickte in einem gequälten Grinsen.
    Walthers Vater hatte für den Grafen von Tirol Zoll erhoben, und er fragte sich, ob es mittlerweile auch im Herzogtum Bayern Sitte war, die Zöllner zu erschlagen, die aus Sicht von gut gerüsteten Reisenden zu viel forderten. Doch nein, nicht in Bayern. Das Herzogtum war schon immer sehr ruhig und sicher. Dort würde es keine Unruhen geben.

    Braunschweig war von dem verstorbenen Heinrich dem Löwen zu einer großen Stadt mit einer würdigen Residenz gemacht worden, wo – ähnlich wie in Wien – etwa zehntausend Menschen wohnten. Zu Walthers Erleichterung fragte bei den Stadttoren niemand nach ihm oder Markwart, sondern hörte sich nur die Erklärung des Dienstmannes Botho über eine Botschaft vom Bischof von Würzburg an den Pfalzgrafen an.
    »Ihr meint den Kanzler des Herzogs von Schwaben, wie?«, fragte einer der Wächter.
    »Ich meine den Kanzler des verstorbenen Kaisers des Heiligen Römischen Reiches«, sagte Botho nachdrücklich, »und dem gewählten Bischof von Würzburg, den langjährige Gastfreundschaft mit dem Pfalzgrafen verbindet.« So kann man eine Zeit als Geisel auch darstellen, dachte Walther. Doch wie er gehofft hatte, wurde die Gesandtschaft durchgelassen.
    Es war nicht zu übersehen, dass die Straßen voller Kriegsknechte waren, von denen viele das Wappen der Welfen so

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