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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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fiel ihr auf, dass der Sänger angespannt dreinblickte.
    »Die Magistra? Natürlich weiß ich, wo sie ist«, sagte sie. »Aber ganz ehrlich, Herr Walther, es ist nicht so, dass Ihr ein Recht darauf habt, das ebenfalls zu wissen. Wenn Ihr um sie fürchtet oder sie alleine wähnt, das braucht Ihr nicht. Ihr Gatte ist an ihrer Seite, und er versteht, ein Schwert zu führen.«
    »Euer Gnaden«, sagte Walther mit gepresster Stimme, »ich habe Grund zu der Annahme, dass diese Ehe nicht freiwillig eingegangen wurde. Das lässt mich …«
    Irene lachte und schüttelte den Kopf. Sie mochte den Sänger, doch das hieß nicht, dass sie ihm vertraute, und sie würde ihm ganz gewiss nicht verraten, wo die Magistra steckte. »Oh, macht nicht so ein Gesicht!«, schalt sie. »Ihr seid ein erwachsener Mann. Wir wissen alle, dass Lieder nicht die Wirklichkeit sind. Wie viele Frauen gibt es denn auf der Welt, die sich ihren Gatten selbst wählen konnten? Ich kenne keine einzige. Doch glaubt mir, ich habe die Magistra und ihren Gatten zusammen gesehen. Sie hat ihn aufrichtig gerne, und er sie. Das ist mehr, als die meisten von sich sagen können. Ihr solltet Euch schämen, ihr das nicht zu gönnen.«
    Es entging ihr nicht, dass er zusammenzuckte. Trotzdem gab er nicht auf. »Euer Gnaden, darum geht es nicht. Ich mache mir Sorgen um sie, weil ich glaube, dass sie sich in Gefahr befindet. Ich habe Dinge in Köln gehört, die …«
    Genug war genug: Jemand musste Herrn Walther seine Grenzen zeigen. Es war schön und gut, Verse auf jemanden zu schreiben, doch ernsthaft eine Ehe zu gefährden, ging entschieden zu weit. Irene konnte sich noch gut erinnern, wie angespannt und aufgebracht Judith meist in der Nähe Walthers gewesen war und wie gelassen und vertrauensvoll sie dagegen mit Gilles umging. Wenn der Sänger glaubte, er könne sie benutzen, um seinen eifersüchtigen Hirngespinsten zu folgen, dann hatte er sich geirrt.
    »Ihr werdet die Magistra in Ruhe lassen«, befahl Irene streng. »Ich wünsche nicht, noch Weiteres von Euch über sie zu hören. Wenn Ihr meinen Wünschen nicht folgen könnt, Herr Walther, dann seid Ihr nicht länger willkommen bei mir.«
    * * *
    Wenn es nach Walther gegangen wäre, dann hätte er Philipp samt seiner Gemahlin frohen Herzens im Rhein ertränkt. Dabei war der Mangel an Dankbarkeit noch das wenigste. Er hatte jetzt mit Rittern, Grafen, Herzögen, ja Königen genauso gelebt wie mit Priestern, Äbten und Bischöfen. Er hatte selbst den Papst sein Credo verkünden hören, wo er sich in dieser Reihe sah. Hatte keiner von ihnen Gottes Gebot Liebe deinen Nächsten je gehört, je verstanden? Warum war er Luft, wenn es diesen Menschen gefiel? Er hätte genauso ein Wandleuchter sein können, so unbedeutend musste er ihnen vorkommen. Dabei hatte er bereits bewiesen, dass er sehr wohl am Rad der Geschichte drehen konnte. Was wäre also so schwer daran, ihn in aller Ruhe anzuhören? Ihm gegenüber Vorbehalte gegen seine Überlegungen zu artikulieren und mit ihm darüber zu diskutieren? Und warum konnten sie ihm nicht einfach sagen, wo sich Judith befand, wenn es ihr doch so wunderbar erging?
    »Ich verstehe nicht, warum du dich so aufregst«, sagte Markwart. »Entweder sind diese Fürstin und ihr Gemahl vertrauenswürdig, oder sie sind es nicht. Wenn sie es nicht sind, dann solltest du ihnen nicht weiter helfen. Wenn sie es sind, dann gibt es für dich keinen Grund mehr, etwas zu befürchten, wenn sie sagen, dass es deinem Mädchen gutgeht, oder?«
    »Sie ist nicht mein Mädchen«, entgegnete Walther unwirsch. Markwarts Art und Weise, die Dinge zu sehen, war erfrischend einfach und beneidenswert. Es wäre schön, wenn er recht hatte, doch Walther bezweifelte es.
    »Genau«, sagte Markwart, »außer, dass du sie so siehst. Und das ist es doch, was dir wirklich im Magen liegt. Gib es zu.«
    »Zum Teil«, räumte Walther ein. »Aber glaub mir, das ist nicht der Grund, warum ich sie finden will. Wenn es einen rachsüchtigen Fürsten gibt, dann ist das Otto. Dann sollte niemand, und schon gar keine«, Jüdin, wollte er sagen, doch er schluckte das Wort hinunter, »Frau sich irgendwo befinden, wo dieser Mann Hand an sie legen kann. Schau, Markwart, wenn sie hier wäre, an diesem Hof, dann würde ich nichts weiter sagen.«
    »Das würdest du doch. Ich kenne dich. Du hast es noch nie fertiggebracht, still zu sein, wenn du etwas haben wolltest.«
    Walther kam nicht dazu, diese maßlose Übertreibung zu berichtigen, weil er

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