Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
meiner Eitelkeit wegen.«
    Es war nach ihrem Geständnis, die Mörder ihrer Verwandten in Wien umbringen zu können, das zweite Mal, dass sie ihm Einblick in ihr Inneres gewährte. Walther spürte Zärtlichkeit und Mitgefühl in sich aufwallen. Jetzt kam es darauf an, nicht wieder das Falsche zu tun, richtig zu reagieren.
    Auf dem kleinen Pfad zum Bach lagen mehrere geschlagene Baumstämme, die von den vertriebenen Dörflern wohl für kältere Zeiten vorgesehen waren. Walther deutete auf einen von ihnen, und sie setzten sich, Judith ein Stückchen von ihm entfernt, nicht weit genug, um Misstrauen zu bedeuten, doch so, dass ein gewisser Abstand gewahrt blieb.
    »Eitelkeit würde ich es nicht nennen«, entgegnete er behutsam. »Wir können alle nur nach dem urteilen, was wir wissen. Und Ihr wisst über Otto und Philipp, was Ihr bei Euren Begegnungen mit ihnen erfahren habt. Ich – nun, bei aller mangelnden Bescheidenheit, ich habe auch das Meine getan, um Philipp zu unterstützen, aber nicht, weil ich von den Staufern so beeindruckt gewesen wäre, also wundert es mich nicht, dass mir die Zweifel schneller gekommen sind als Euch. Doch glaubt Ihr ernsthaft, dass ohne uns jetzt kein Krieg toben würde? Ich habe eine hohe Meinung von mir, aber so hoch ist sie nun auch wieder nicht.«
    »Ihr macht immer noch aus allem lieber einen Scherz, als Bedenken ernst zu nehmen«, sagte sie, doch sie sagte es ohne Vorwurf. Er meinte sogar, eine gewisse Zuneigung in ihrer Stimme zu hören.
    »Mir ist es mit meinen Zweifeln sehr ernst«, gab er zurück. »Ich habe von keinem unserer beiden Könige eine hohe Meinung. Deswegen frage ich mich, ob es nicht besser ist, einen gegen den anderen auszuspielen und mir von beiden mein Säckel füllen zu lassen. Treue haben sie beide nicht verdient, scheint mir, und der Krieg findet in jedem Fall statt. Aber ich habe auch Dinge gesehen, die mir so zuwider waren, dass ich nicht damit zufrieden sein kann, selbst nur der lachende Dritte zu sein.«
    Er erzählte ihr von den Domherren in Köln, deren einzige Sorge ihre persönliche Bereicherung war und die Nächstenliebe nicht einmal mehr buchstabieren konnten. Er sprach von Martin und dessen Tod im Herzen Roms, von der Gnadenlosigkeit des neuen Papstes und dessen Anspruch, über allem zu stehen, selbst über Gottes Gebot, zu verzeihen. Die Galle, die in ihm hochkam, als er an Martins entsetzte Augen dachte, war unverändert bitter, und er stockte ein paarmal, weil er die Übelkeit niederkämpfen musste, die ihn erfasste.
    »Es tut mir leid«, sagte Judith leise, während sie eine Hand auf seine Schulter legte. »Kein Mensch sollte so sterben.«
    Ihre Berührung veränderte die Stimmung zwischen ihnen, und auf einmal wusste er, dass er das Gespräch wieder weniger ernst werden lassen musste. Das, oder sie an sich ziehen … aber er wollte nicht wieder alles durch voreiliges Handeln verderben.
    »Wenn jeder von uns das bekäme, was er verdient, nicht, was er glaubt, zu verdienen, dann wäre es eine andere Welt, aber ich weiß nicht, wie es mir darin erginge. Ihr würdet natürlich in Salerno als Meisterin der Heilkünste lehren, aber würde ich an den Höfen der Mächtigen die Laute zupfen oder nur irgendwo in einer Dorfschenke?«
    »So schlecht sind Eure Lieder nicht«, sagte sie mit einem Lächeln und zog ihre Hand zurück.
    »Schlecht?«, rief er mit nur teilweise gespielter Empörung aus. »Meine Lieder sind großartig, und wenn ich irgendwann das Zeitliche segne, dann wird mich Euer König David selbst aus dem Fegefeuer freibitten, weil er den besten Sänger an seiner Seite haben will, um zu Füßen Gottes die Harfe zu spielen.«
    »Das wird er nicht«, entgegnete sie. »Wenn ich etwas gelernt habe, seit ich Euch kenne, dann, dass Ihr Sänger eifersüchtig seid und noch weniger Götter neben Euch duldet als der Allmächtige selbst.«
    »Wir sind eine zutiefst missverstandene Zunft«, sagte Walther und legte eine Hand auf sein Herz. »Niemand ist so sehr darauf versessen, herauszufinden, was ein anderer Sänger kann, wie wir. Wie soll man sonst die Leistungen anderer Verseschmiede heruntersetzen?«
    Diesmal brachte er sie nicht nur zum Lächeln, sondern zum Lachen, auch wenn es nur ein kurzes Prusten war. »Dann ähnelt Ihr den Ärzten mehr, als ich dachte«, gab sie zurück. »Wir sind ungeheuer versessen darauf, die Methoden anderer zu studieren, denn wie sollen wir sonst herausfinden, was sie falsch machen?«
    Er spürte Gelächter in sich

Weitere Kostenlose Bücher