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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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eines anderen Sängers vor mir von den Toten auferstehen.« Diesmal war es ein volles Lächeln, das sie ihm schenkte. »Aber würdest du denn an meinem Sterbebett sitzen?«, fragte er. Sofort wurde sie wieder ernst und schaute von ihm fort, geradeaus auf den Altar.
    »Ich weiß es nicht. Doch ich weiß, was ich gesehen habe. Der jetzige Herzog von Österreich ist der Junge, der als Erster mit den Ärzten auf meinen Vater losgegangen ist, nicht wahr?«
    »Er hatte gerade seinen eigenen Vater verloren, Judith.«
    »Das verstehe ich«, gab sie zurück. »Aber er hat falsche Vorwürfe gegen die Juden wiederholt, die längst von christlichen Klerikern richtiggestellt worden sind. Er schien mir jemand zu sein, der Zuflucht im Alten nimmt. Und es war sein Bruder, der damals dein Gönner war. Hältst du ihn für einen Mann, der mit einem Mal deine Lieder schätzt?«
    Walther musste zugeben, dass bisher davon nichts zu spüren gewesen war; zu gut erinnerte er sich noch an die Abfuhr, die ihm Leopold wegen einer spöttischen Bemerkung über den Papst erteilt hatte. Es war nicht so, dass er für immer nach Wien zurückkehren wollte. Doch es wäre nicht schlecht, zu wissen, ob er dort willkommen wäre und geehrt würde, schon deshalb, weil es ihm eine völlig andere Verhandlungsgrundlage bei gewissen deutschen Königen schuf.
    »Ich halte ihn für den Mann, der mir ein geruhsames Alter sichern könnte«, sagte er und zog eine Grimasse. »Irgendwann einmal, in ferner Zukunft. Nur, wenn ich nicht gleich nach Wien gehe, finden sich wahrscheinlich vier, fünf andere Sänger vor mir dort ein, um Reinmars Platz einzunehmen.« Da er nicht wusste, wann sie das nächste Mal allein sein würden, gab er sich einen Ruck und sagte offen: »Aber ich will jetzt nicht nach Wien zurück. Judith, ganz gleich, ob du Philipp nun in Franken als König vorfindest, dem du weiter dienen kannst, oder als das Gegenteil – ich will nicht noch einmal Jahre warten, bis wir uns wiedersehen.«
    »Ich auch nicht«, sagte sie leise.
    »Für Gilles findet sich bei Philipp gewiss eine Stelle«, sagte er, »und wenn Bischof Wolfger noch auf seiner Seite steht, dann wird er bereit sein, eure Ehe zu annullieren. Vielleicht sogar Konrad, wenn du ihm seine Magenschmerzen heilst. Dann gibt es noch …«
    »Walther«, unterbrach ihn Judith. Eine feine Linie stand auf ihrer Stirn. »Ich will meine Ehe nicht annullieren lassen.«
    Es war ihm ein unerwarteter Hieb ins Gesicht, schlimmer, als hätte sie ihm wieder eine Ohrfeige gegeben. Einen Herzschlag lang hasste er sie für die Fähigkeit, ihm diese Art von Schmerz zuzufügen. Dann zwang er sich, die Sache vernünftig anzugehen. »Es ist doch keine Ehe«, sagte er, »und du liebst mich. Das hast du selbst gesagt, gerade eben.«
    »Ich habe gesagt, dass ich etwas für dich empfinde. Das war kein Heiratsantrag! Außerdem stimmt es nicht, dass Gilles und ich keine Ehe führen: Es ist keine, bei der wir ein Bett teilen, aber wir haben ein gutes Leben zusammen. Du und ich haben es noch nicht fertiggebracht, länger als zwei Wochen ohne Streit zu verbringen. Höre uns doch gerade jetzt wieder an!«
    Er hörte nicht nur, er sah auch. Und was er sah, war, dass ihr Busen sich durch den schnelleren Atem rasch hob und senkte. Das erinnerte ihn daran, wie sich ihre Brüste unter seinen Händen angefühlt hatten. Wie sie alles andere als still und starr blieb, sondern unter seinen Fingern zum Leben erwacht und mit ihrem ganzen Körper geantwortet hatte. Wenn sie es gerade fertigbrachte, ihm das Gefühl zu geben, nicht mehr als eine Ablenkung gewesen zu sein, und nicht zugeben wollte, dass ihre Gefühle tiefer gingen, gut, dann würde er den Gefallen erwidern und die Schwäche in ihrer Rüstung ausnutzen.
    »Dann bist du wohl zufrieden damit, als keusche Nonne nur für die Heilkunst zu leben«, sagte er hart. »Die heilige Jutta aus Salerno. Wenn du das für den Rest deines Lebens willst, dann wünsche ich dir viel Vergnügen dabei.«
    Sie stand auf, und er folgte ihr nicht.

    Bischof Konrads Magenleiden waren im Wesentlichen das Ergebnis seiner Ängste, was eine Heilung nicht einfach machte. Aber der Glaube eines Patienten an die Wirksamkeit von Heilmitteln war bereits der halbe Weg, das hatte Francesca immer gesagt, und so verschrieb ihm Judith gesalzenes Brot mit gut durchbackenem Sauerteig, ohne Rinde, da diese, so erklärte sie ihm, den Körpersaft schwärze. Da der Reisegesellschaft mit einem Bischof die besten Klöster

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