Das Spiel der Nachtigall
offenstanden und in jeder Stadt die Bäcker nur zu gerne bereit waren, ihre Ware an ihn zu verkaufen, war es nicht weiter schwer, an das entsprechende Brot zu kommen. Außerdem konnte sie in den Klöstern ihre Kräutervorräte ergänzen.
Der Bischof hatte Rabbi Mosche ben Maimon gelesen und bedauerte sehr zu hören, dass sie sein Werk über das Asthma verkauft hatte. »Ich hätte es liebend gerne in Händen gehalten«, sagte er, »auch wenn ich seine philosophischen Schriften vorziehe. Was für ein Jammer, dass ein solcher Gelehrter noch im Irrtum des Judentums verstockt ist! Er wäre das größte Juwel unserer Zeit, wenn er nur erleuchtet wie Saulus würde.«
Als er das sagte, fuhr die alte Angst für einen Moment lang in Judith, doch dann entspannte sie sich wieder. Bischof Konrad hatte keine Ahnung, welcher Religion sie angehörte; er ging selbstverständlich davon aus, dass sie eine Christin war.
»Unser Herr Jesus«, fuhr der Bischof fort, »ist natürlich der größte aller Heiler. Nur er kann mir die Sünde des gebrochenen Eids vergeben. Wir haben alle auf den kleinen Friedrich geschworen, und nun sind wir verdammt. Dagegen könnt Ihr mir kein Heilmittel geben, Magistra.«
Wenn Judith das christliche Prinzip von Buße und Absolution richtig verstand, dann stünde es dem Bischof offen, seine Ämter abzugeben, das Kanzleramt genau wie das des Bischofs von Würzburg, und all die damit verbundenen Einkünfte, um seinen gebrochenen Eid wiedergutzumachen. Doch sie bezweifelte, dass er auch nur einen Bauernhof aufgeben würde, ganz gleich, wie schlecht er sich fühlte. Für ihn bedeutete Abstinenz als Christ nur den Verzicht auf das, was er ohnehin nicht vertrug.
»Euer Gnaden, Ihr seid der Arzt für Seelen«, sagte Judith. »Ich kann Euch Heilbatunge in Wermutsaft und Warmwasser abkochen, das hilft gegen Magenschmerzen, und Salbei und Raute in Euren Wein empfehlen, um Eure körperlichen Leiden zu lindern.« Eigentlich waren Salbei und Raute ein Mittel gegen die Kopfschmerzen, die einem Rausch folgten, doch schaden konnte es dem Bischof nicht. Mehr, um überhaupt etwas zu sagen, damit er weiter von seinen Sorgen sprach und nicht verstummte, fügte sie hinzu: »Doch wenn Euch die Sorge um den jungen Friedrich so plagt, Euer Gnaden, dann steht Euch doch gewiss eine Reise ins Königreich Sizilien offen, um Euch seiner anzunehmen und so den Eidbruch wiedergutzumachen.«
»Hmm«, machte der Bischof zu ihrer Überraschung. »Die Kaiserin ist tot und der junge Friedrich ein Mündel der Kirche. Da brauchte er wirklich einen Mann von Tugend und Edelmut, um für ihn das Königreich zu regieren, und Seine Heiligkeit ist fern. Hmm …«
»Gott helfe mir«, sagte Judith an diesem Abend zu Gilles. »Ich glaube, ich habe den Kanzler auf die Idee gebracht, dass es für ihn einträglicher wäre, vom Papst zum Regenten Siziliens gemacht zu werden, als sich weiter um seinen Sitz in Würzburg zu bemühen und Philipp zu unterstützen.«
Gilles blickte ein wenig ratlos drein, als könne er nicht entscheiden, ob das gut oder schlecht war. Endlich entgegnete er: »Ich bin stolz auf dich«, was in diesem Zusammenhang keinen Sinn ergab. Sie versuchte, zu erklären, warum sie das auf keinen Fall beabsichtigt hatte, doch er fragte nur, ob sie nun selbst auch Zweifel an Philipp habe, das habe sie jedenfalls damit gesagt.
»Das heißt aber doch nicht …«
»Du bist eine Frau, die ihre Meinung oft ändert, da hat Walther recht«, sagte Gilles mit einem kleinen Lächeln.
»Walther? Du hast mit Walther über mich gesprochen?«
»Er suchte meinen Rat«, sagte Gilles beschwichtigend. »Als Freund.«
Judith wusste nicht, ob sie Walthers Hinterhältigkeit verfluchen sollte oder die Tücke von Männern, sich hinter ihrem Rücken zu verbünden. Du hast deinen Stolz, sagte sie sich. Nach der Bemerkung über die ewige Jungfräulichkeit einer Nonne wirst du dich ihm ganz gewiss nicht wieder an den Hals werfen. O nein. Da würde Walther lange warten müssen. Es war nur schade, dass sie nicht mit ihm über die Angelegenheit mit dem Bischof sprechen konnte, denn er würde sofort verstehen, was für Auswirkungen es haben konnte, wenn Konrad ihrem nicht ernstgemeinten Ratschlag folgte.
»Ich ändere meine Meinung nur, wenn ich einen sehr guten Grund habe«, sagte Judith und starrte grollend an die Decke der Mönchszelle.
Kapitel 28
I n Aschaffenburg bekamen sie Boote; so ließ sich der Main durch seinen Treidelpfad und mit Zugpferden für den
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