Das Spiel der Nachtigall
Papst jetzt unser lacht!« mit allem Hohn, dessen er fähig war. Während die Gesellschaft noch dabei war, zu entscheiden, ob sie mehr entsetzt, belustigt oder wütend über das Lied war, ließ er die Reimerei folgen, die sich heute auf dem Weg von Würzburg hierher in seinem Kopf zusammengesetzt hatte, wenn er nicht gerade um sein Leben schwatzen musste.
Unter den Linden,
Bei der Haide,
Da unser beider Bette war.
Da könnet ihr finden
Wie wir beide
Die Blumen flechteten uns ins Haar.
Vor dem Wald in einem Tal,
Tandaradadei!
Sang so süß die Nachtigall,
War mit Lieb dabei.
Während er Strophe nach Strophe sang, war das Schweigen der Leute kein betretenes oder nur halb entzücktes wie bei dem Lied gegen den Papst; es war auch keine Gleichgültigkeit zu spüren, sondern es legte sich ein Samtmantel aus Wohlbefinden um Sänger und Zuhörer. Walther sah, dass Philipp die Hand Irenes ergriffen hatte, und das war ein schöner Tribut, aber nicht halb so gut wie Judiths Lächeln. Sein Lied über das Ende des Sommers, was er eigentlich noch geplant hatte, strich er; es hätte die Stimmung zwischen Judith und ihm nur verdorben. So überließ er die Empore den Gauklern und bahnte sich den Weg durch die Menge, was nicht so einfach war, weil ihn viele Gäste beglückwünschen wollten.
»Ein Lied aus der Sicht eines Mädchens«, sagte Philipps Schreiber, der ihm anerkennend auf die Schulter klopfte, »das erinnert mich an die alten Tagelieder, aber dieses besungene Mädchen ist doch bestimmt keine edle Dame. Und sagt, wenn Ihr Bett sangt, meintet Ihr tatsächlich …«
»Ein Lied muss für sich selbst sprechen, mein Freund«, gab Walther zurück und reckte den Hals, weil er Judith nicht mehr hinter Irene sah.
»Aber glaubt Ihr wirklich, dass …«
»Verzeiht, doch ich hörte, die Königin hat nach mir gesandt«, log Walther und ließ den Schreiber hinter sich. Wenn ihn Judith das nächste Mal wegen seiner Eitelkeit neckte, würde er darauf hinweisen, dass er ihretwegen auf Lob aus durchaus erfahrenem berufenem Mund verzichtet hatte. Nur konnte er sie immer noch nicht finden, und unglücklicherweise war der Nächste, der ihn aufhielt, kein anderer als Botho.
»Habt Ihr denn immer noch nicht genug?«, brummte dieser.
»Von was? Beifall? Werter Herr Botho, kein Mann hat je …«
»Davon, mir von meinem Onkel in die Eier treten zu lassen, du Hundsfott!«, knirschte Botho. »Ich habe getan, was du verlangt hast, also gab es keinen Grund, die Königin mit hineinzuziehen.«
Das war ein erfreulicher Hinweis darauf, dass Judith nicht nur von Irene wieder in Gnaden aufgenommen worden war, sondern auch erfolgreich um ihre Hilfe gebeten hatte, doch Walther hütete sich, Botho seine Schlussfolgerung erkennen zu lassen.
»Ja, ich habe gehört, dass Ihr und ich heute Nacht das Vergnügen haben werden, unser Zimmer zu teilen«, sagte er, »nachdem ich der Königin meine Aufwartung gemacht habe, nicht vorher.«
»Das wird kein Vergnügen für Euch werden«, gab Botho düster zurück, doch immerhin ließ er von Walther ab und beschränkte sich darauf, grimmig dreinzuschauen, statt weitere Drohungen auszustoßen, auch als Walther mit einem gespielten Seufzer hinzugefügt hatte, er fühle sich unter seinen Fittichen geborgen wie eine Seele im Himmel, bevor sie von den anderen Gästen getrennt wurden.
Er war erst drei Schritte weiter, als jemand von hinten die Hände auf seine Augen legte. Es waren kühle Hände inmitten des vollen Saales, der vor Menschen barst, langfingrige Hände wie die seinen, und daran erkannte er sie, während sie ihn nach hinten in eine ruhigere Ecke zog.
»Bin ich der Gefangene, dann müsst Ihr mir gestatten, mein Lösegeld zu bestimmen, Magistra«, sagte er auf seine höfischste Weise, doch er wusste, dass sie unter ihren Fingerspitzen fühlte, wie sich um seine Augen Lachfältchen bildeten.
»Ihr müsst mir ein Rätsel lösen. Wie wird aus einem Weinberg ein Wald und ein Tal?«, fragte sie.
»Nun, ganz so, wie aus einem Blatt eine Rose wird«, gab er zurück, drehte sich zu ihr um und küsste sie. Viele Menschen dürfte es ohnehin nicht geben, die zu ihnen schauten, und selbst wenn, dann war es ihm gleich. Jetzt gab es nichts mehr, das Judith und er befürchten mussten.
Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis sie sich von ihm löste.
»Ich bin sehr froh, dass du aus der Reichweite einer bestimmten Markgräfin bist, die dich missverstanden haben muss«, murmelte sie. »Es wäre eine Verschwendung
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