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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Gewalt, nicht daran zu denken, wie schnell eine frohe Runde Blut riechen konnte, oder bitter darüber zu sein, dass Friedrich von Österreich gestorben war, während weder Krankheit noch das Schwert eines Moslems den Ritter Georg von Bamberg zu seinem Schöpfer schickten.
    Mit etwas Glück würde Philipp nicht lange in Bamberg bleiben. Schließlich hatte der König selbst erwähnt, dass er weiter nach Thüringen ziehen wollte. Deswegen brauchte Judith nie zu erfahren, dass einer jener Männer hier war.
    »Warum machst du denn auf einmal ein Gesicht, als wäre dir eine Laus über die Leber gelaufen? Dem Gilles geht es gut, das schwör ich dir«, sagte Markwart. »Der atmet wahrscheinlich das erste Mal seit Wochen freier, weil er sich nicht mehr mit deinem liebeskranken Gesicht herumärgern muss.«
    »Judith – die Magistra wird sich trotzdem noch Sorgen um ihn machen, das ist alles«, antwortete Walther.
    »Dann sieh es als gute Gelegenheit an, sie zu trösten. Das kann sehr schön sein«, sagte Markwart und schauderte übertrieben. »Wenn sie sich trösten lässt. Dein Mädchen kommt mir manchmal wie ein Mann vor, bei dem es sich die Natur im letzten Augenblick anders überlegt hat. Kein Wunder, dass so ein Mannweib mit Gilles verheiratet wurde.«
    »Ich kann dir versichern, dass sie in jeder Hinsicht eine Frau ist«, gab Walther zurück; der ungute Druck in der Magengegend, die üble Erinnerung an die Nacht in Wien wich der Gegenwart. Trotzdem entschloss er sich, morgen eine Kerze zu stiften und ein Lied zum Lobe Gottes zu schreiben, wenn Judith Georg nicht zu Gesicht bekam.
    »Es wäre trotzdem besser gewesen, wenn Gilles irgendjemandem eine Botschaft anvertraut hätte«, sagte er.
    »Walther, erinnerst du dich nicht, was er gesagt hat? Er träumte davon, noch einmal ein Abenteuer zu erleben – nur ein zimperlicher Dichter wie du würde da auf die Idee kommen, noch schnell einen Abschiedsbrief zu verfassen. Und jetzt genug davon. Was mich gerade mehr beschäftigt, ist: Müssen wir jetzt im Stall schlafen oder nicht?«, fragte Markwart. »Wenn nicht, dann werde ich noch einmal nach den Pferden sehen. Mich lässt man ohnehin nicht dabei sein, wenn du vor dem König singst.«
    Jetzt musste sich zeigen, ob Walthers Lüge Botho gegenüber oder der Umstand, dass Philipp und Irene wegen der guten Nachricht aus Braunschweig dankbar waren, dazu beigetragen hatten, ihnen einen guten Schlafplatz zu sichern. Er fand nach einigem Suchen Philipps Haushofmeister, der in der Küche die letzten Vorbereitungen des Gastmahls überwachte, und hörte, dass Herr Botho bereits erklärt habe, sein Lager mit Walther und dessen Knappen teilen zu wollen.
    »Und das ist Euer Glück, Herr Walther. Wirklich, Ihr hättet zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können. Ich weiß nicht, wann hier zum letzten Mal ein Herrscher residiert hat, aber es muss ein Jahrhundert her sein. In dieser Pfalz ist alles zu knapp und zu klein, so schön die Stadt auch ist.«
    Nun, mit diesem Schlafnachbar war es eigentlich nicht das, was Walther sich unter einer guten Schlafstätte vorgestellt hatte, obwohl der Neffe eines Heinz von Kalden gewiss nicht mit einem Strohsack vorliebnehmen musste. Er erkannte die Rache, welche darin lag: Botho rechnete bestimmt damit, dass Walther nicht viel Schlaf finden würde vor Angst, am nächsten Morgen nicht mehr zu erwachen. Auch Markwart machte ein Gesicht, als ob er just dies für die wahrscheinlichste Entwicklung hielt.
    »Wenn er überzeugt wäre, er könne mir den Hals umdrehen, dann würde er sich selbst nicht danebenlegen«, beruhigte Walther sie beide. »Seinen eigenen Kopf will er ganz gewiss nicht verlieren, und als Mörder würde ihm genau das geschehen. Er will nur, dass die Nacht so ungemütlich wie möglich für uns ist.«
    »Nun, ich werde bestimmt nicht schlafen«, sagte Markwart bedeutsam.
    Es gab keine Möglichkeit, Judith vor dem Mahl noch zu sehen, um ihr das Ergebnis ihrer Suche nach Gilles mitzuteilen, also hoffte Walther, dass sie dort sein würde, und atmete erleichtert auf, als er sie hinter Irene stehend erspähte, zusammen mit zwei weiteren Damen. Er stellte mit Befriedigung fest, dass außer ihm zwar eine Menge Musikanten da waren, jedoch keine Sänger. Da der Erzbischof von Bamberg nicht anwesend war und Philipp erkannt hatte, dass es ihm nichts nützte, weiter den gehorsamen Klostersprössling zu geben, brauchte Walther keine Rücksicht zu nehmen, und sang »Sieh nur, wie christlich doch der

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