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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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und Frauen wie üblich getrennt unter, doch außer Judith zählte keine Frau zum Tross des Bischofs. Es waren ein paar Pilgerinnen dort sowie zwei Kaufmannsgattinnen und deren Mägde, die sich aber bei keinem Mann Hilfe holen wollten, was bedeutete, dass Judith zwischen wunden Füßen, Blasen und teilweise bis aufs rohe Fleisch aufgescheuerte Schenkel, deren Besitzerinnen zwar ein Reittier hatten, aber nicht vernünftig genug gewesen waren, für feste Beinkleider zu sorgen, mehr als genug zu tun hatte. Am Ende war sie sehr erschöpft und mehr als bereit zu schlafen, aber sie hatte Walther noch einiges zu sagen, und so begab sie sich in den Kreuzgang, um ihn zu treffen.
    »Das darf doch nicht wahr sein! Die fingerfertige hübsche Ärztin«, sagte eine leider vertraute Stimme. Sie sah Botho von Ravensburg auf sich zuschlendern. »Wir reisen also wieder einmal miteinander.« Seine Überraschung klang so gespielt, dass klar war: Er hatte sie bereits lange vorher gesehen.
    Sie war erschöpft und nicht in der Stimmung, um den heißen Brei zu reden. »Nun, falls der Heilige Vater beschließt, Euch für den Mord so zu bestrafen wie Abaelard für seine Lust, dann muss ja jemand zur Hand sein, der den Eingriff vornehmen kann, ohne Euch dabei verbluten zu lassen, Herr Botho. Seid versichert, dass mein Messer nicht ausrutschen wird.«
    »Wie Abaelard?« Etwas verspätet dämmerte ihm, worauf sie anspielte. »Miststück!«
    »Also, Herr Botho, Ihr könnt von einer einfachen Frau wie mir doch nicht erwarten, einen direkten Befehl des Heiligen Vaters zu verweigern. Oder des Patriarchen von Aquileja, falls ihm die Reise zu lange werden sollte, bis wir Rom erreichen. Außerdem muss ich mir mein tägliches Brot verdienen, Gott sei’s geklagt. Heilkräuter und feingeschliffene Instrumente aus Damaszener Stahl gibt es nicht umsonst, wisst Ihr.«
    »Ihr solltet keine solchen Scherze treiben«, drohte Botho, »nicht mit mir. Für jemanden wie Euch werde ich noch nicht einmal zehn Paternoster als Buße beten müssen. Da wird es mehr Mühe kosten, mein Schwert hinterher abzuwischen.«
    Sie dachte an die abgeschlagene Hand Konrads. Sie dachte an den Tod Vetter Salomons, seiner Familie und der Leute seines Haushalts. »Wenn Ihr das glauben wollt, dann steht es Euch frei«, sagte sie und zwang sich, überlegen zu lächeln. »Der Eingriff als solcher ist recht einfach. Die einzige Schwierigkeit liegt darin, ihn so schmerzlos wie möglich zu machen, aber darum kann sich ein Kriegsknecht nach meinem Ableben wahrlich keine Gedanken machen …«
    »Der Papst wird mich nicht entmannen lassen«, sagte Botho, doch ein Hauch Unsicherheit mischte sich in seinen Zorn. Sie zog nur eine Augenbraue hoch und erwiderte nichts. »Der Patriarch auch nicht. Oder der byzantinische Weichling, mit dem Ihr jetzt das Bett teilt.«
    Ein lächelndes Schweigen war entschieden wirksamer als alle Worte. Mittlerweile begann Bothos Stimme, sich zu überschlagen. »Wenn der ein echter Mann wäre, dann hätte er nicht Jahre gebraucht, um sich aus der Gefangenschaft zu befreien. Alle byzantinischen Männer sind halbe Eunuchen und Männerliebhaber! Das weiß jeder. Euch würde der Unterschied natürlich nicht auffallen. Überhaupt würde mich es nicht wundern, wenn Ihr nur deswegen in das Bett von Alexios gelangt seid. Weil Ihr wisst, wie man’s Männern macht, die lieber Männer mögen.« Er trat einen Schritt näher. »Aber dass Ihr die Gelegenheit dazu nun bei dem Sohn eines Kaisers habt, das verdankt Ihr auch mir, das solltet Ihr wissen. Und deswegen will ich meinen Lohn.«
    Nachdem sie in Alexios’ Wagen reiste, wunderte es sie nicht, dass Botho davon ausging, sie sei die Geliebte des Kaisersohns; das sah ihm ähnlich. Aber trotzdem brachte er es fertig, dass sie sich fühlte, als kröchen ihr Wanzen über die Haut, je länger sie mit ihm sprach, ganz gleich, was er sagte.
    Er schien ihr Schweigen für Zustimmung zu halten. »Ich fordere ja keine führende Stellung beim Kreuzzug, es ist mir schon klar, dass die Angelegenheit mit Bischof Konrad das unmöglich macht. Aber dass der Heilige Vater mich nur durch die Teilnahme am Kreuzzug büßen lässt, das muss herauskommen dabei. Der Byzantiner braucht nur darum zu bitten. Ich bin nicht dumm, wisst Ihr. Wenn Philipp nicht im Sinn hätte, ihm wieder auf seinen Thron zu verhelfen, dann würde er ihn nicht erneut über die Alpen schicken, so bald nach seiner Ankunft. Also, wenn es gegen Byzanz geht, dann bin ich auch dabei.

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