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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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wer Fürst sein will, wenn sie entscheiden müssten.« Walther grinste. »Ich hätte dann ein paar Zuhörer weniger. Und keinen neuen Pelzmantel.«
    »An deiner Stelle würde ich nicht darüber lachen«, sagte Judith ernst. »Was ist, wenn der Preis der Bestätigung von Wolfgers Patriarchat ist, dass er dich dem Papst übergibt? Was ist, wenn er dich deswegen mitgenommen hat?«
    Es war ein eigenartiges Gefühl, das Walther erfasste, gleichzeitig heiß und kalt. Die Vorstellung, er könnte mit seinen Liedern genug Staub aufgewirbelt haben, um den Papst zum Blinzeln zu bringen, dazu, sich von ihm verwundet zu fühlen, von Walther von der Vogelweide, war besser als der süßeste Wein. Judith musste inzwischen seine Gedanken lesen können, denn sie gab ihm einen Schlag auf den Kopf.
    »Das ist kein Ruhmesblatt in deiner Lorbeerkrone, von dem wir hier reden, du Ausbund an Eitelkeit, sondern ein päpstlicher Kerker! Oder noch Schlimmeres! Sei nicht so unerträglich eitel und überlege dir lieber, wie schnell wir uns vom Tross entfernen können, wenn es einmal sein muss!«
    »Es ist keine Eitelkeit, wenn sie sich auf logische Überlegungen gründet«, gab Walther zurück, doch er wusste, was sie meinte, und das sorgte für die Kälte, die seine Wirbelsäule emporkroch und sich mit der heißen Befriedigung mischte. Er versuchte, gedanklich einen Schritt zurückzutreten, das Ganze vernünftig zu überlegen. »Wolfger war bisher nie doppelzüngig, zumindest für einen Bischof. Er hat mir keine Versprechungen gemacht, die er nicht gehalten hat, und obwohl er wissen muss, dass ich seinerzeit auch Herzog Friedrich einiges über ihn berichtete, nicht nur ihm über Friedrich, hat er sich nie verärgert deswegen gezeigt.«
    »Das mag ja alles sein, aber bist du ihm auch sein Patriarchat wert?«
    Es lag Walther auf der Zunge, eine Bemerkung darüber zu machen, dass Judith dieser Tage zu leicht gesonnen war, jeden für einen Menschenverkäufer zu halten, und dass Wolfger nicht ihr Onkel oder ihr Vetter war, doch er wusste nur zu gut, dass er ihr mit einer solchen Bemerkung weh getan hätte. »Nein. Doch so gut meine Lieder auch sind«, sagte er stattdessen, »in meiner übergroßen Bescheidenheit bezweifle ich trotzdem, dass sie dem Papst zu Ohren gekommen sind. Er spricht, wie ich hörte, kein Deutsch. Außerdem hat ihm Wolfger etwas viel Besseres anzubieten, um sich bei ihm ins rechte Licht zu setzen: Die Aussicht auf ein Ende des Schismas schlägt alles, fürchte ich, selbst meine unsterblichen Verse.« Judith wirkte nicht überzeugt.
    »Du solltest den Bischof geradeheraus fragen.«
    »Was? Euer Gnaden, beabsichtigt Ihr, mich unliebsamen Störenfried dem Heiligen Vater zum Fraße vorzuwerfen? Wenn er es nicht beabsichtigt, wird er beleidigt sein, und ich verliere einen Gönner. Wenn er es beabsichtigt, dann wird er es mir ganz gewiss nicht bestätigen.«
    »Euer Gnaden, gibt es nicht noch mehr, was ich für Euch tun kann? Ich hätte gerne einen weiteren Pelzmantel für die Magistra, die ebenfalls friert, und mir gehen allmählich die lobenden Worte für Euer Gnaden aus«, gab Judith zurück. Walther zwickte sie in die Nase.
    »Wenn du frierst, will ich dich wärmen. Gerne mit, lieber aber ohne meinen neuen Mantel, dafür auf dem teuren Stück«, murmelte er. »Aber nicht, wenn du mir unterstellst, dass mir jemals die Worte ausgehen!«
    »Nun, dann lass mich die weichen Haare deines Mantels spüren, überall«, begann sie und fing an, ihn auszukleiden. Bald hatten sie beide Besseres zu tun, als sich über Wolfger und seine Ziele den Kopf zu zerbrechen.
    Danach lagen sie zusammengekuschelt auf dem schmalen Lager, das sie in einer Klosterzelle teilten. Miteinander einzuschlafen, miteinander aufzuwachen, die Wärme eines geliebten Gefährten zu spüren, darauf hätte Judith nicht mehr verzichten wollen, seit sie es mit Walther kennengelernt hatte. Auf anderes ihrer Zweisamkeit auch nicht, wenn sie ganz ehrlich sich selbst gegenüber war. Eins zu sein, zu träumen und irgendwann an ihrem Gesäß, ihrem Oberschenkel, ihrer Hand zu spüren, was er fühlte, schon bevor sich seine Hand zu ihrem Busen oder ihren Schenkeln stahl, sich einlullen zu können auf das, was danach kam, kommen musste, sich überraschen zu lassen, ihn zu überraschen, das war Teil ihres neuen Lebens geworden, und sie genoss es aus vollen Zügen.
    Doch die Fragen, die sie quälten, verschwanden nicht.

    Kurz hinter Mailand überraschte Wolfger Walther damit, dass er

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